Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges erlebt die Rüstungsindustrie einen beispiellosen Boom. Vor allem die Kurse europäischer Rüstungsunternehmen sind in den vergangenen drei Jahren durch die Decke gegangen. Aber nicht nur die Rüstungsindustrie selbst profitiert direkt von den jüngsten geostrategischen Entwicklungen, auch die Rohstoffbranche ist ein indirekter Profiteur. Schließlich ist Rüstung ein sehr rohstoffintensives Geschäft. Aber welche Rohstoffe profitieren tatsächlich vom Rüstungsboom? Und welche Materialien sind besonders heiß begehrt? In diesem Beitrag findest Du Antworten auf diese und weitere Frage rund um die Auswirkungen des Rüstungsbooms auf Rohstoffe.
☝️ Das Wichtigste in aller Kürze
- Die NATO veröffentlichte 2024 eine Liste mit den zwölf verteidigungskritischsten Rohstoffen.
- Diese sind Aluminium, Beryllium, Gallium, Germanium, Graphit, Kobalt, Lithium, Mangan, Platin, Seltene Erden, Titan und Wolfram.
- Diese Rohstoffe werden für die Produktion fast aller Waffensysteme benötigt.
- Vor allem Seltene Erden sind aufgrund der Dominanz Chinas als Förder- und Verarbeitungsland stark umkämpft.
Eine sehr wichtige Liste
Ende 2024 veröffentlichte die NATO eine Liste, der keine große mediale Aufmerksamkeit zuteilwurde, die aber trotzdem für die Zukunft der Militärallianz von allergrößter Bedeutung ist. Es handelt sich um eine Auflistung der zwölf verteidigungskritischsten Rohstoffe, die für die Produktion moderner Waffensysteme und militärischer Ausrüstung unverzichtbar sind. Andersrum formuliert: Diese Rohstoffe spielen eine Schlüsselrolle in der Sicherstellung der Herstellung von Rüstungsgütern und der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses.
Nachfolgend eine Kurzvorstellung dieser zwölf Rohstoffe und ihrer speziellen Bedeutung für das Militär:
Aluminium
Aluminium ist aufgrund seiner ausgezeichneten Materialeigenschaften ein in vielen Branchen, auch der Rüstungsindustrie, gefragtes Allround-Metall. Das Metall ist leicht, stabil, belastbar, korrosionsbeständig und haltbar. Das macht den Rohstoff perfekt geeignet für die sehr starken Beanspruchungen im militärischen Alltag.
Vor allem in der Luftfahrt spielt Aluminium wegen seines geringen Gewichts eine große Rolle. Bei modernen Kampfflugzeugen und Raketen werden zur Gewichtsverringerung zahlreiche Aluminiumlegierungen verbaut. Aber auch bei gepanzerten Fahrzeugen kommt Aluminium eine große Bedeutung zu.
Beryllium
Beryllium zählt zu den unbekannteren Materialien. Trotzdem spielt das Metall aufgrund seiner außergewöhnlichen Materialeigenschaften eine extrem wichtige Rolle in der Rüstungsbranche.
Beryllium ist nämlich sehr leicht, gleichzeitig aber sehr steif. Im Verhältnis zu seinem Gewicht hat es eine sechsmal höhere Steifigkeit als Stahl. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Temperaturbeständigkeit. Das Metall behält sowohl bei hohen als auch bei niedrigen Temperaturen seine Form bei. Das macht Beryllium vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie bei Präzisionsinstrumenten zu einem unverzichtbaren Bestandteil.
Gallium
Gallium gehört zu denjenigen Materialien, mit den seltsamsten Eigenschaften. Der Rohstoff hat eine sehr niedrige Schmelztemperatur von knapp 30 Grad Celsius, schmilzt also wortwörtlich in der Hand. Bis zu einer Temperatur von knapp 2.400 Grad Celsius bleibt das Material flüssig. Zudem besitzt Gallium wie Wasser eine Dichteanomalie. Es hat demnach im flüssigen Zustand eine höhere Dichte als in festem Zustand.
Diese Materialeigenschaften machen Gallium zu einem wichtigen Rohstoff in der Produktion von Halbleitern in der Optoelektronik, also der Umwandlung von elektrischen Daten in Lichtströme. Aber auch in der LED- und OLED-Technologie, der Photovoltaik, bei Magneten und nicht zuletzt in der Hochfrequenztechnik spielt Gallium eine wichtige Rolle. Das macht das Material begehrt für die Rüstungsindustrie, wo es vor allem für die Herstellung von Raketenabwehr- und Radarsystemen benötigt wird.
Germanium
Germanium ist eines der seltensten Metalle der Erde und ist ein mit Silizium vergleichbarer Halbleiter. Lange war der Rohstoff das führende Material in der Elektronikindustrie, bevor es vom billigeren Silizium abgelöst wurde. Wie Gallium weist auch Germanium eine Dichteanomalie auf.
Germanium wird in erster Linie für die Produktion von Glasfaserkabeln verwendet, spielt auch aber in der Photovoltaik und bei optischen Geräten eine Rolle. In der Rüstung sind dies vor allem Nachtsichtgeräte und Infrarotsysteme.
Graphit
Graphit ist eines der wichtigsten Ausgangsmaterialien für die Rüstungsindustrie. Seine hohe Festigkeit, seine gute Oxidationsbeständigkeit, seine thermische Stabilität, seine hervorragende Leitfähigkeit und seine vorteilhaften Schmiereigenschaften machen das Material zu einem vielseitig einsetzbaren Rohstoff.
Demzufolge kommt Graphit in fast allen Rüstungsgütern zum Einsatz. Es ist eines der am häufigsten verwendeten Materialien des Militärs und findet sich in Flugzeugen, Hubschrauber, Schiffen, Flugzeugträgern, U-Booten, Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Artilleriesystemen und Raketen. Zudem reduziert Graphit die akustische Signatur von U-Booten und stärkt somit deren Tarnkappenfähigkeit.
Kobalt
Kobalt ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die Produktion von Waffen und sonstiger Rüstungsgüter. Das Metall hat eine für die Rüstungsindustrie herausragende Eigenschaft: Es ist extrem hart und schmilzt erst bei 1.492 Grad Celsius.
Diese Materialeigenschaft macht Kobalt prädestiniert für die Verwendung in Betriebsumgebungen mit extrem hohen Temperaturen und Belastungen. So kommt Kobalt beispielsweise in Flugzeugantrieben und Raketen zum Einsatz. Aber auch auf für die Produktion von Sensoren, elektronischen Systemen, Elektromotoren und Akkumulatoren ist das Metall absolut unerlässlich.
Lithium
Lithium ist das leichteste Metall der Erde und besitzt die geringste Dichte der festen Elemente. Aufgrund seiner Bedeutung für die Herstellung von Batterien und folglich die Transformation zur Elektromobilität wird der Rohstoff von vielen Fachleuten als das „neue Gold“ bezeichnet.
Das Metall ist aber nicht nur für die Herstellung der Akkumulatoren für Elektroautos von zentraler Bedeutung, sondern spielt auch für die Rüstungsindustrie eine entscheidende Rolle. Viele Hochtechnologieprodukte, die auch in Armeen zum Einsatz kommen, lassen sich ohne Lithium nicht herstellen.
Mangan
Mangen ist ein hartes, sprödes Metall mit einer hohen Schmelztemperatur. Es kommt aufgrund seiner Vielseitigkeit in zahlreichen industriellen Prozessen zum Einsatz. Mangan wird vor allem in Form von Legierungen eingesetzt. Die Zugabe des Metalls verbessert die Zähigkeit von Stahl und trägt dazu bei, seine Sprödigkeit zu reduzieren.
Außerdem entfernt Mangan Schwefel und Sauerstoffverunreinigungen aus Stahl. In der Rüstungsindustrie wird es vor allem für die Produktion von Gewehrläufen, Helmen und Verbundpanzerungen eingesetzt.
Platin
Platin ist ein korrosionsbeständiges, weiches und demnach gut formbares Metall. In Kombination mit seiner hohen Haltbarkeit machen diese Eigenschaften Platin zu einem wichtigen Werkstoff für die Rüstungsindustrie.
Platin wird vor allem als Legierung mit anderen Metallen, wie beispielsweise Eisen, Gold, Kobalt, Kupfer, Nickel, Wolfram und Zinn eingesetzt. Beim Militär hat Platin vor allem Bedeutung für die Produktion von Raketen, Düsentriebwerken und militärischer Elektronik.
Titan
Das Leichtmetall Titan besitzt eine ganze Reihe von Eigenschaften, die es zu einem hochattraktiven Material für die Rüstungsindustrie machen. Es hat eine geringe Dichte, ist korrosions- und temperaturbeständig sowie mechanisch fest und gut formbar. Titan hat ein außergewöhnlich gutes Festigkeits-Gewichtsverhältnis, was es ideal für den Einsatz in Hochleistungsumgebungen macht, in denen andere Metalle an ihre Grenzen stoßen.
Titan kommt deshalb vor allem in den extremen Bedingungen der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz. Da es hitze- und korrosionsbeständig sowie sehr widerstandsfähig gegen mechanische Ermüdung ist, eignet sich das Leichtmetall hervorragend für die Verwendung in Flugzeugstrukturen und Triebwerkskomponenten.
Wolfram
Das Metall Wolfram punktet in der Rüstungsindustrie vor allem mit zwei Eigenschaften: seiner hohen Dichte und seinem hohen Schmelzpunkt. Wolfram hat den höchsten Schmelzpunkt aller Metalle. Seine Dichte ist doppelt so hoch wie die von Stahl. Die Härte von Wolframkarbid liegt nahe an der von Diamant.
Aufgrund seiner bemerkenswerten Dichte und seines hohen Schmelzpunktes wird Wolfram vor allem in der Produktion panzerbrechender Munition in der Rüstungsindustrie verwendet. Dank der Dichte von Wolfram können Geschosse selbst stark gepanzerte Ziele durchdringen.
Aber auch als Material für die Munition anderer Waffen spielt Wolfram eine Rolle. Zudem werden Wolframlegierungen in Düsentriebwerken und Raketenlenksystemen verwendet.
Seltene Erden
Unter dem Begriff „Seltene Erden“ werden in der Regel die chemischen Elemente der dritten Nebengruppe des Periodensystems, also Scandium, Yttrium und die sogenannten Lanthanoide verstanden. In Summe zählen nach dieser gebräuchlichsten Definition 17 Elemente zur Gruppe der Seltenen Erden.
Die Bezeichnung „Seltene Erden“ ist übrigens sehr missverständlich. Bei diesen Elementen handelt es sich nicht um Erden, sondern um Metalle. Und selten sind sie auch nicht, sondern kommen vielmehr sehr häufig in der Erdkruste vor, allerdings in sehr unkonzentrierter Form.
Seltene Erden werden in fast allen Produkten zwar nur in Kleinstmengen verbaut, sie werden jedoch für die Produktion fast aller (Hoch-)Technologieprodukte benötigt, was sie auch für die Rüstungsindustrie zu kritischen Rohstoffen machen. Im Militär kommen Seltene Erden vor allem in der Luft- und Raumfahrttechnik, in Lasern und in Überwachungssystemen zu Einsatz.
Zur Verdeutlichung ihrer Bedeutung: In einem U-Boot der amerikanischen Virginia-Klasse werden rund vier Tonnen Seltene-Erd-Materialien verbaut. In einem Zerstörer der Arleigh Burke-Klasse der US Navy sind es mehr als zwei Tonnen und in einem Kampfjet des Typs F-35 der Air Force sind es immer noch über 400 Kilogramm.
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Der Kampf um Rohstoffe
Angesichts ihrer strategischen Bedeutung für die Rüstungsindustrie tobt seit Jahren ein weltweiter Kampf um die in militärischer Hinsicht wichtigsten Rohstoffe zwischen den drei Weltmächten USA/NATO, China und Russland. Vor allem die zunehmenden Feindseligkeiten zwischen den USA und China haben diesen Rohstoffkrieg auf eine neue Eskalationsstufe gehoben.
China nutzt in dieser Frage seinen größten geostrategischen Vorteil als Machtinstrument. Die Volksrepublik ist nicht nur eines der größten Förderländer der in diesem Beitrag genannten verteidigungskritischen Rohstoffe, es dominiert mit einem Anteil von 60% den Weltmarkt für Seltene Erden. Vor allem im Bereich der Verarbeitung der Seltenen Erden ist die Marktbeherrschung Chinas erdrückend groß. Bei der Aufbereitung zur Herstellung von Konzentraten, dem Schmelzen und Trennen der Erden zu Oxiden und der Raffination zur Produktion von Metallen und Legierungen liegt der globale Marktanteil von China teilweise bei über 90%. Die Volksrepublik kontrolliert demnach einen Großteil der kompletten Wertschöpfungskette bis hin zur Herstellung wichtiger Rüstungskomponenten wie Batterien, Computer und Magneten.
Als Druckmittel im Kampf gegen die Anhebung von Zöllen durch die USA drosselt China seit April die Ausfuhr Seltener Erden. In Europa und den USA schrillen deshalb die Alarmglocken. Unter Hochdruck sind die NATO-Mitgliedsstaaten dabei, den Bezug rüstungskritischer Metalle, insbesondere der Seltenen Erden, von China in Partnerländer zu verlagern.