In den letzten Jahren sind die Staatsschulden großer Volkswirtschaften wie den USA, Frankreich und Großbritannien kräftig gestiegen. Deutschland galt lange als Vorbild in Sachen Haushaltsdisziplin. Mit den neuen Sondervermögen geht aber auch hier die Verschuldung erstmals deutlich nach oben. In diesem Beitrag erfährst Du, welche Folgen der Trend zu immer höheren Staatsschulden für die Aktienmärkte haben kann.
☝️ Das Wichtigste in aller Kürze
- 2010 bringen die ausufernden Staatsschulden Griechenlands die europäische Währungsunion an den Rand des Zusammenbruchs.
- Die Verschuldung großer Volkswirtschaften, allen voran der USA, ist in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen.
- Bislang reagierten die Börsen in der Regel positiv auf die Erhöhung der Staatsschulden wichtiger Schuldnerländer.
- Höhere Schulden können sich in vielfältiger Weise auf die Kurse von Aktien auswirken.
- Nicht nur die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, sondern auch auf die Inflation und die Zinsen sind wesentliche Einflussfaktoren.
- Wie sich Schulden auf die Börse auswirken, hängt im Wesentlichen von ihrem Verwendungszweck ab.
2010: Griechenlands Staatsschulden bringen den Euro an den Abgrund
Treten wir kleine Zeitreise in das Jahr 2010 an. Der eine oder andere mag sich daran erinnern, dass die Euro-Zone vor 15 Jahren vor dem Zusammenbruch stand. Auslöser der Krise der europäischen Währungsunion waren die ausufernden Staatsschulden Griechenlands, die seinerzeit über 130% des Bruttoinlandsprodukts des Landes überstiegen. Gleichzeitig musste die griechische Regierung die Zahlen zur Neuverschuldung aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten und systematischer Statistikfehler drastisch nach oben korrigieren.
Die Folgen sind bekannt: Die Renditen für griechische Staatsanleihen schossen auf ein für das Land nicht mehr tragbares Niveau nach oben. Der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank sahen sich gezwungen, ein Rettungspaket für Griechenland zu schnüren, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes zu verhindern. Viele Politiker, allen voran in Deutschland, forderten aufgrund der unsoliden Finanzpolitik des Mittelmeerlandes den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Bekanntermaßen kam es dazu nicht. Zu groß war die Furcht von Europas Spitzenpolitikern vor einem Dominoeffekt, der spätestens bei einem Austritt Italiens aus dem Euro das Ende der gemeinsamen europäischen Währung eingeleitet hätte.
Erstaunlicherweise reagierten die europäischen Börsen so gut wie gar nicht auf die Euro-Krise. Der DAX zeigte sich völlig unbeeindruckt vom Fast-Zusammenbruch Griechenlands und auch der europäische Leitindex Euro Stoxx 50 gab 2010 nur kurzzeitig um ca. 15% nach. Sind Staatsschulden doch keine Gefahr für die Börse?
2025: Deutschland macht mit einem Schuldenpaket Schlagzeilen
Kehren wir mit unserer Zeitmaschine in die Gegenwart zurück. 15 Jahre nach der Euro-Krise ist es nicht mehr Griechenland, das Schlagzeilen mit seinen Staatsschulden schreibt, sondern ausgerechnet Deutschland. Am 4. März 2025 kündigte der zukünftige deutsche Bundeskanzler Merz ein historisch beispielloses Schuldenpaket an, mit der die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse deutlich gelockert wird.
Das Paket besteht aus drei Teilbereichen. Zum Ersten wird über die nächsten zwölf Jahre ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden € für Zusatzausgaben außerhalb des regulären Haushalts eingerichtet. Zum Zweiten werden Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit, die über 1,0% des BIP hinausgehen, von der Anrechnung auf die Schuldenbremse ausgenommen. Und zum Dritten wird den deutschen Bundesländern parallel zum Bund ein strukturelles Haushaltsdefizit von jährlich 0,35% des deutschen Bruttoinlandsprodukts zugestanden. Werden alle drei Bestandteile dieses Schuldenpakets vollständig ausgeschöpft, könnte das Haushaltsdefizit Deutschlands auf über 4% des BIP ansteigen, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen.
Übrigens: Gewisse Rohstoffe entwickeln sich zur geheimen Währung der Rüstungsindustrie – unser Report „Rüstung – Megatrend im Rohstoffsektor“ stellt zwei Aktien vor, die davon massiv profitieren werden.
Die Reaktion der Börse auf die Bekanntgabe des deutschen Schuldenpakets war eindeutig. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe schoss postwendend um 20 Basispunkte in die Höhe. In der Woche nach der Ankündigung stieg die Rendite der wichtigsten deutschen Staatsanleihe sogar um 43 Basispunkte auf 2,84% - so deutlich wie seit der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr. Im Klartext: Für Deutschland wird die Finanzierung seiner Staatsschulden in Zukunft erheblich teurer als das bislang der Fall war.
Die Auswirkungen neuer Schulden auf den Aktienmarkt
Ganz anders war die Reaktion der Aktienmärkte. Der DAX legte am Tag der Ankündigung des milliardenschweren Schuldenpakets um über 2% zu. Anleger kauften in Erwartung eines konjunkturellen Aufschwungs Deutschlands vor allem konjunktursensible Wertpapiere, die direkt vom Sondervermögen des Bundes profitieren könnten. Dazu gehörten in erster Linie die Aktien von Unternehmen aus den Branchen Bau, Erneuerbare Energien und Rüstung.
Wie sich neue Schulden auf die Börse auswirken und ob sie sich eines Tages zur Gefahr für Aktien entwickeln können, hängt im Wesentlichen davon ab, für welche Zwecke sie verwendet werden. Die positive Rezeption des deutschen Sondervermögens in dreistelliger Milliardenhöhe ist im Wesentlichen der Tatsache zu verdanken, dass das zusätzliche Geld für produktive Zwecke eingesetzt werden soll. Das bedeutet Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung, Forschung, Klimaschutz und die Verteidigung. Diese Investitionen erhöhen sowohl kurz- als auch langfristig die Produktivität des Landes und sorgen für zusätzliche Arbeitsplätze.
Eine Erhöhung der Schulden für konsumtive Zwecke, also beispielsweise eine Erhöhung des Mindestlohns oder der Renten, wäre von der Börse zweifellos nicht so gut aufgenommen worden. Sie hätte zwar die Aktienkurse von Unternehmen, die stark mit den Konsumausgaben korrelieren, kurzfristig befeuert. Langfristig stellen solche unproduktiven Schulden allerdings eine Gefahr für die Börse dar.
Inflation und Immobilienzinsen als wichtige Faktoren
Wie sich steigende Schulden auf die Kurse von Aktien an der Börse auswirken, hängt aber auch von weiteren Faktoren ab, allen voran der Inflation und den Zinsen. Wenn eine Volkswirtschaft, deren Produktionsfaktoren nahezu ausgelastet sind, Schulden macht, reagiert die Wirtschaft in der Regel mit steigenden Preisen. Höhere Schulden können demnach zu einem Anstieg der Inflation führen.
Eine steigende Inflation wird meist erst mit einem Zeitversatz durch steigende Löhne und Gehälter ausgeglichen. Das wiederum bedeutet, dass den Konsumenten über einen bestimmten Zeitraum ein geringeres Nettoeinkommen zur Verfügung steht. Die normale Reaktion darauf ist eine Einschränkung der Konsumausgaben, die folglich vor allem Aktien trifft, die vom privaten Konsum abhängig sind.
Eine weitere Folgewirkung steigender Staatsschulden kann diesen Effekt noch verstärken. Zentralbanken reagieren auf steigende Inflation im Normalfall mit einer Anhebung der Zinsen. Dies führt ebenso zu einem Anstieg der Immobilienzinsen. Für private Haushalte wird es somit teurer, ihre Immobilienfinanzierungen zu bedienen. Das fehlende Geld im Portemonnaie sparen Konsumenten an anderer Stelle ein. Steigende Zinsen sorgen deshalb ebenfalls für sinkende Kurse von konsumorientierten Aktien.
Ist Deutschland in Zukunft kein Verschuldungsmusterschüler mehr?
Deutschland ist seit jeher einer der Musterschüler Europas in Bezug auf die Staatsverschuldung. Seit der Euro-Krise im Jahr 2010 ging die Schuldenlast der Bundesrepublik im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung von ca. 80 auf 60% zurück.
Ganz anders die Situation in allen anderen großen Volkswirtschaften Europas. Lagen die Staatsschulden Frankreichs und Großbritanniens vor 15 Jahren auf einem ähnlichen Niveau wie die Deutschlands, sind sie seitdem deutlich auf über 100% des BIP gestiegen. Italien war noch nie ein Musterschüler hinsichtlich der Verschuldung. Die italienische Staatsschuldenquote gehört mit ca. 130% des BIP zu den höchsten Europas.
Droht Deutschland angesichts des neuen Schuldenpakets eine ähnliche Entwicklung wie den anderen Wirtschaftsmächten Europas? Die meisten Berechnungen gehen nicht davon aus. Bei einer durchschnittlichen Kreditaufnahme in Höhe von 3,5% des BIP und einem BIP-Wachstum von ca. 3,0% (nach Inflation) würde die deutsche Staatsverschuldung in den kommenden zwölf Jahren auf ca. 80% des BIP ansteigen, also in etwa auf das Niveau zu Zeiten der Euro-Krise im Jahr 2010. Diese Modellrechnung ist aber maßgeblich davon abhängig, wie hoch das BIP-Wachstum sowie die Inflation ausfallen und wie stark das Sondervermögen tatsächlich in Anspruch genommen wird.
Sonderfall USA
Die USA sind seit jeher ein Sonderfall in Bezug auf die Staatsverschuldung. In den letzten 20 Jahren hat sich die Staatsschuld der Vereinigten Staaten von 8.100 Milliarden US$ auf 37.700 Milliarden US$ mehr als vervierfacht. Damit liegt die Verschuldungsquote der USA bei ca. 120% des BIP.

Das Congressional Budget Office (Datenquelle) rechnet für die kommenden Dekaden mit völlig aus dem Ruder laufenden US-Staatsschulden. (Grafik: eigene Darstellung)
Bei den meisten anderen Ländern würden längst die Alarmglocken in Form deutlich steigender Zinssätze für Staatsanleihen läuten. Nicht jedoch bei den USA. Der Zinssatz für 10-jährige Bundesanleihen liegt mit knapp über 4% auf einem historisch durchschnittlichen Niveau.
Warum reagieren die US-Staatsanleihen nicht mit steigenden Zinsen auf die hohe und nach wie vor steigende Staatsverschuldung? Die Antwort ist verblüffend simpel: Weil sie es nicht müssen.
Die Vereinigten Staaten sind ein immer noch so attraktiver Schuldner, dass Gläubiger keine höheren Zinssätze verlangen können. Die Bonität der USA ist aufgrund der Größe und der Wachstumsdynamik ihrer Volkswirtschaft nach wie vor ausgezeichnet. Gleichzeitig sorgt der starke US$ für attraktive Finanzierungsbedingungen.
Eine einfache Gegenüberstellung zeigt, dass von einer hohen Schuldenlast bislang keine Gefahr für die Börse ausging. Während sich, wie zuvor dargestellt, die Staatsverschuldung der USA in den vergangenen 20 Jahren mehr als vervierfacht hat, hat sich der Kurs des breiten US-Aktienindex S&P 500 fast verfünffacht. Die US-Staatsverschuldung und der S&P 500 zeigten demnach eine fast parallele Entwicklung.
Wird das in Zukunft so bleiben?
Bei der Frage, wie gefährlich hohe Staatsschulden für die Börse sind, muss man (wie bereits erwähnt) zwischen produktiven und konsumtiven Schulden unterscheiden. Produktive Schulden, also Ausgaben für die Erhöhung der Wirtschaftskraft eines Staates, stellen in der Regel keine Gefahr für die Börse dar. Bei konsumtiven Schulden verhält sich das anders. Sie werden deutlich kritischer von Anlegern aufgenommen.
Der Fall Griechenlands vor 15 Jahren hat gezeigt, dass es nicht viel braucht, um eine ganze Währungsunion an den Rand des Abgrunds zu bringen. Die Gefahr ging damals gar nicht so sehr von Griechenland selbst aus. Viel zu unbedeutend war das wirtschaftliche Gewicht des kleinen Mittelmeerlandes im Verhältnis zur gesamten Euro-Zone. Vielmehr fürchtete die Börse einen Dominoeffekt auf andere, größere Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien. Zu hohe Zinssätze auf Staatsanleihen hätten die beiden europäischen Schwergewichte ebenfalls an den Rand eines Finanzierungskollaps gebracht.
Wie heißt es so schön: Geschichte wiederholt sich – und die Börse ist in dieser Beziehung ein sehr guter Zeitzeuge. Die historisch hohe Staatsverschuldung Frankreichs, Großbritanniens und Italiens kann bei steigenden Zinsen durchaus zu einer erneuten Krise führen. Im Falle einer Schuldenkrise Frankreichs und Italiens wäre der Fortbestand des Euros massiv gefährdet.
Noch sind die Zinsen auf einem niedrigen Niveau, sodass die europäischen Schuldnerländer gegenwärtig nur geringe Schwierigkeiten haben, ihre Haushaltsdefizite zu finanzieren. Aber das kann sich in Zukunft ändern. Eine durch Handelskonflikte und Schuldenerhöhungen angetriebene Inflation kann schnell zu einer Anhebung der Zinsen für Staatsanleihen führen und Länder in ersthafte Finanzierungsnöte bringen.
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