Deglobalisierung zerlegt: Daten und Fakten hinter dem Buzzword

Nach Jahrzehnten einer mehr oder weniger ungezügelten Globalisierung mehren sich die Stimmen, die ein Ende der internationalen Verflechtung in allen Lebensbereichen fordern. Menschen aus aller Welt propagieren zunehmend unter der Bezeichnung „Deglobalisierung“ eine Umkehr dieses Megatrends. Ihre Beweggründe sind sehr unterschiedlich und reichen von Nationalismus über Nachhaltigkeit bis zu Lieferkettensicherheit. Aber was versteht man genau unter Deglobalisierung? Wie sieht der Prozess in der Praxis aus und gibt es überhaupt beweisen für seine Existenz? In diesem Beitrag findest Du Antworten auf diese und weitere Frage rund um die Umkehr der Globalisierung.

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☝️ Das Wichtigste in aller Kürze

  • Unter Deglobalisierung wird die wirtschaftliche, politische und kulturelle Entflechtung von Staaten verstanden.
  • KI-Modelle werden heute auf Grundlage des maschinellen Lernens sehr großer Datenmengen trainiert.
  • Die Gründe für den Wunsch nach Deglobalisierung sind vielfältig und reichen von politischem Nationalismus über die Verbesserung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz bis zur Sicherung von Lieferketten.
  • In Praxis läuft die Deglobalisierung häufig über das Reshoring, das Nearshoring und das Friendshoring ab.
  • Statistisch nachweisen lässt sich die Deglobalisierung bislang kaum.
  • Die meisten Studien kommen zum Schluss, dass die Deglobalisierung mit einem Verlust an Wohlstand verbunden ist.

Was ist Deglobalisierung?

Wie die Bezeichnung bereits zum Ausdruck bringt, handelt es sich dabei um das Gegenteil der Globalisierung. Bei der Deglobalisierung (häufig auch als „Entglobalsierung“ bezeichnet) handelt es sich demnach um einen Prozess, bei dem sich Staaten auf wirtschaftlicher, politischer und kultureller Ebene weiter voneinander entfernen. Die durch die Globalisierung hervorgerufene verstärkte Verflechtung der Länder in aller Welt wird durch die Entglobalisierung wieder verringert bzw. rückgängig gemacht.

Welche Gründe hat die Deglobalisierung?

Es gibt eine Reihe von Gründen bzw. Ursachen für die Entglobalisierung. Sie lassen sich in die folgenden fünf Themenbereiche untergliedern:

Politische Faktoren

In weiten Teilen der Bevölkerungen vieler Länder hat sich über die letzten Jahre und Jahrzehnte der Eindruck verfestigt, dass die Globalisierung für ihr Heimatland und für sie selbst mit mehr Nachteilen als Vorteilen verbunden ist. Vor allem Menschen, die ihre Arbeit aufgrund von Produktionsverlagerungen ins Ausland verloren haben, tendieren zu dieser Sichtweise.

Nationalistische Politiker in vielen Ländern haben sich diese weitverbreitete Ansicht zunutze gemacht und feiern mit einem globalisierungskritischen Kurs Erfolge. Prominentestes Beispiel ist zweifellos US-Präsident Trump, der mit seiner „Make America great again“-Kampagne ein zweites Mal ins Weiße Haus gewählt wurde.

Wunsch nach Nachhaltigkeit

Für Millionen Menschen ist der größte Kritikpunkt an der Globalisierung, die mit ihr verbundene Ausbeutung der Natur und ärmerer Menschen sowie die Beschleunigung des Klimawandels. Regenwälder werden allerorts für Anbauflächen gerodet, Flugzeuge und Schiffe befördern im Minutentakt Millionen von Passagieren und Tonnen an Gütern um den Globus, Menschen arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen in Großfabriken und Müll wird in großen Mengen in arme Länder verfrachtet.

Viele Menschen befürworten vor diesem Hintergrund eine verstärkte lokale und regionale Produktion von Waren, um die Belastung des Planeten zu reduzieren. Das gilt insbesondere für landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Unsichere Lieferketten

Die Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 hat der Welt in aller Deutlichkeit ihre durch die Globalisierung hervorgerufene Verwundbarkeit vor Augen geführt. Medizinische Schutzmasken wurden von einem Tag auf den anderen zum begehrtesten Gut in aller Welt. Staaten kämpften mit allen Mitteln um die Versorgung mit Masken und zahlten dafür exorbitant hohe Summen. Diese Geschichte wiederholte sich Monate später mit den Impfstoffen gegen das Virus.

Zudem sorgte der pandemiebedingte Zusammenbruch der internationalen Logistik für massive Risse in den globalen Lieferketten. In allen Industrien wurden Unternehmen weltweit nicht mehr rechtzeitig mit Vorprodukten beliefert, sodass sich die Zahnräder der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit verhakten. Befürworter der Deglobalisierung sehen darin eine verhängnisvolle Verzahnung, die aufgelöst werden muss.

Technologische Innovationen

Die Globalisierung basiert auf einem extrem arbeitsteiligen wirtschaftlichen Ansatz, nach dem jedes Land bzw. jedes Unternehmen sich auf diejenigen Arbeitsschritte konzentriert, die es am effizientesten durchführen kann. Dieser Ansatz hat über die Jahre dazu geführt, dass viele Produkte bzw. Einzelteile nur noch an wenigen Orten auf der Welt in sehr großen Produktionsanlagen hergestellt werden.

Zahlreiche neue Technologien haben mittlerweile bei vielen Produkten die Produktionskosten erheblich gesenkt, sodass diese auch in kleineren Anlagen gewinnbringend hergestellt werden können. Das bedeutet, dass es sich vielfach wieder lohnt, die Produktion in die Nähe der Hauptabnahmemärkte zu rücken.

Geopolitische Spannungen

Während die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg durch die USA (und ein wenig die Sowjetunion) dominiert wurden, hat sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs eine zunehmend multipolare Welt entwickelt. China ist zu einer globalen Wirtschaftsmacht aufgestiegen, Indien ist auf bestem Wege dazu, Russland kämpft aggressiv um seine Stellung in der Welt und die Europäische Union bringt seit vielen Jahren das große Gesamtgewicht der Länder Europas auf die Waage.

Diese multipolare Welt hat zu einer deutlichen Zunahme globaler Spannungsfelder geführt. Die genannten Staaten und Regionen haben unterschiedliche machtpolitische Interessen und verfolgen diese mit zunehmend aggressiven Mitteln wie beispielsweise Zöllen und Exportbeschränkungen.

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Wie sieht die Deglobalisierung in der Praxis aus?

Wie bereits erwähnt, ist die Entglobalisierung in der Praxis häufig mit einer verstärkten Regionalisierung verbunden. In diesem Zusammenhang fallen sehr häufig die drei Begriffe Reshoring, Nearshoring und Friedshoring.

Unter „Reshoring“ wird die Rückführung wirtschaftlicher Aktivitäten ins eigene Land verstanden. Bei „Nearshoring“ handelt es sich um die Verlagerung ins benachbarte Ausland. Und von „Friendshoring“ spricht man, wenn die Warenproduktion in befreundete Länder, die gleiche Ansichten und Werte vertreten, verlagert wird.

Friendshoring wenden Ländern häufig an, wenn es um den Bezug von Waren geht, die eine sehr hohe strategische Bedeutung haben, wie beispielsweise Rohstoffe. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Uran. Der Kernbrennstoff ist nicht nur für die Herstellung von Atomwaffen vonnöten, sondern auch für den Betrieb von Kernkraftwerken. Dementsprechend haben Länder ein hohes strategisches Interesse daran, Uran aus befreundeten Staaten zu beziehen, die den Handel nicht willkürlich einschränken oder unterbinden.

Nearshoring kommt oftmals zur Anwendung, wenn die Produktionskosten in Nachbarländern geringer sind und/oder die globalen Lieferketten zu komplex sind, um kurzfristig auf Nachfrageveränderungen reagieren zu können. Nearshoring ist beispielsweise in Europa aufgrund der nach wie vor bestehenden größeren Lohnunterschiede zwischen West- und Osteuropa weit verbreitet.

Reshoring kommt schließlich vor allem zum Ansatz, wenn die Produktion bestimmter Waren so stark automatisiert ist, dass Industriestaaten keinen Kostennachteil mehr gegenüber Schwellenländern erleiden. In der Automobilindustrie haben einige Hersteller in den vergangenen Jahren hochautomatisierte Teile der Produktion wieder in ihre Heimatländer verlagert.

Gibt es überhaupt Beweise für die Deglobalisierung?

Die Entglobalisierung hat seit einiger Zeit eine sehr hohe mediale Präsenz. Das hat vor allem mit dem Aufkommen globalisierungskritischer Parteien und Politiker wie Donald Trump in den USA, der AfD in Deutschland und dem Front National in Frankreich zu tun. Aber lässt sich ein Trend zur Deglobalisierung überhaupt statistisch nachweisen?

Die Datenbasis für diesen Nachweis ist relativ dünn. Wenn man den Anteil des globalen Warenexports an der Weltwirtschaftsleistung als Gradmesser für die Globalisierung heranzieht, dann lässt sich bestenfalls ein Abflauen des Globalisierungswachstums feststellen.

Der Anteil des Warenexports am globalen Bruttoinlandsprodukt hat sich in den fünf Jahrzehnten von 1960 bis 2010 massiv auf ca. 16% erhöht. In den darauffolgenden Jahren ist dieser Exportanteil am Welt-BIP aber nicht mehr so stark gestiegen. 2019 erreichte er einen Wert von 20%. Die Corona-Pandemie im Jahr 2020 sorgte für einen kurzen zwischenzeitlichen Einbruch auf 19%. 2022 erreichte das Verhältnis von Warenexport zu weltweitem BIP allerdings schon wieder einen neuen Höchststand von 20,8%.

Die vorliegenden Daten geben demnach keinen Anhaltspunkt dafür, dass es einen Trend zur Deglobalisierung gibt. Vielmehr lässt sich feststellen, dass die Globalisierung inzwischen weitgehend an ihr Limit gestoßen ist.

Welche Auswirkungen hat die Deglobalisierung?

Die Verzahnung der Weltwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten massiv zugenommen. Bei komplexeren Produkten, wie beispielsweise Autos oder Flugzeugen, liefern Hunderte Zulieferer aus verschiedenen Ländern Vorprodukte, die in mehreren Verarbeitungsstufen schließlich zu einem Endprodukt führen. Jedes an diesem hochkomplexen Produktionsprozess beteiligte Unternehmen hat sich auf eine bestimmte Ebene dieses Prozesses spezialisiert.

Eine Entflechtung dieser länderübergreifenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit würde Unternehmen und Staaten vor gewaltige Probleme stellen. Zahlreiche Studien kommen zum Schluss, dass die Deglobalisierung vor allem im industriellen Bereich mit erheblichen Kostensteigerungen verbunden wäre. Einzelne Produktionsschritten müssten im Rahmen des Re-, Near- oder Friendshorings auf Unternehmen übertragen werden, die sie nicht so effizient und kostengünstig wie die bisherigen Produzenten ausführen können. Der Wohlstand würde demnach nicht nur im Lieferland, sondern auch im Empfängerland zurückgehen. Die Deglobalisierung ist in volkswirtschaftlicher Hinsicht unbestreitbar eine Sackgasse.

Bekanntermaßen bildet die volkswirtschaftlich Gesamtrechnung aber nicht die Folgen der Globalisierung auf die Umwelt, das Klima und die Menschen ab. Eine Deglobalisierung in bestimmten Bereichen könnte durchaus unter dem Strich zu wünschenswerten Effekten für den Planeten führen. Diese Effekte in Zahlen zu fassen, ist jedoch äußerst anspruchsvoll.

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