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Alibaba-Aktie: Ist die China-Misere damit vorbei?

Simon Ruić / 31.08.22 / 10:05

Bei der Alibaba-Aktie (WKN: A117ME) sind wieder einmal viele politische Einflussfaktoren im Spiel: Die Einigung der Behörden im Delisting-Streit sowie Wachstumsimpulse aus Peking treiben den Kurs hoch; neue Spannungen zwischen China und Taiwan sowie die Nervosität vor den US-Kontrolleuren haben den E-Commerce-Titel gestern wieder belastet: Knapp -3% ging es abwärts auf 93,84 US$. Ist ein langfristiges Investment trotz der politischen Risiken ratsam?

Alibaba ist der führende chinesische Online-Marktplatz. Neben seinem Kerngeschäft im E-Commerce baut der Konzern nach dem Vorbild von US-Konkurrent Amazon weitere Standbeine auf, insbesondere im Bereich Cloud Computing.

Seit März droht dem E-Commerce-Riesen ein mögliches Delisting von der New Yorker Börse, nachdem die US-Aufsichtsbehörde SEC begonnen hat, Offenlegungspflichten, die chinesische Unternehmen bislang verweigert hatten, einzufordern.

Vergangene Woche gelang jedoch eine Übereinkunft der US-Bilanzpolizei PCAOB und der chinesischen Börsenaufsicht CSRC, die den Streit über den Verbleib von Alibaba und rund 200 weiterer chinesischer Firmen an den US-Finanzmärkten beilegen soll. Die Vereinbarung, der sogenannte Audit-Deal, erlaubt es den US-Behörden, Wirtschaftsprüfungsprozesse in Festlandchina und Hongkong zu überprüfen.

Während viele US-Titel Ende vergangener Woche auf Talfahrt gingen, machten die in New York gehandelten China-Papiere daher einen Sprung nach oben. Auch die Alibaba-Aktie hat im Zuge der Annäherung im Delisting-Streit am vergangenen Donnerstag fast +8% zugelegt.

Neue Spannungen zwischen Peking und Taiwan belasten China-Aktien

Kaum hat sich der Ärger mit den Offenlegungspflichten etwas entspannt, plagen die Alibaba-Anleger neue Sorgen: Wegen zunehmender Spannungen zwischen Peking und Taiwan sind die an den US-Börsen notierten Aktien chinesischer Firmen am Dienstag wieder deutlich gefallen. Für den Alibaba-Titel ging es um -2,86% abwärts auf 93,84 US$.

Taiwans Militär feuerte Medienberichten zufolge Warnschüsse auf eine chinesische Drohne, die eine von Taiwan kontrollierte Insel in der Nähe der chinesischen Küste umkreist hatte. Die Anleger seien nun besorgt über eine Eskalation des regionalen Konflikts, erklärte Bo Pei, Analyst bei US Tiger Securities.

Alibaba als erstes im Visier der US-Behörden

Was die Stimmung der Alibaba-Aktionäre offenbar ebenfalls eintrübte: Der E-Commerce-Riese gehört zu den ersten Unternehmen, die von den US-Behörden in den nächsten Wochen geprüft werden sollen. Das berichtete gestern die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Quellen.

Thomas Hayes, Chairman des Private-Equity-Schwergewichts Great Hill Capital, kommentiert:

Die Nervosität vor der Inspektion ist das Einzige, was ich jetzt sehe, was die Aktien beeinflusst.

Wachstumsimpulse aus Peking

Für den Fall, dass es zwischen China und Taiwan beim Säbelrasseln bleibt, hat Alibaba die Chance auf einen kurzfristigen Auftrieb – dank des Audit-Deals sowie stimulierender Maßnahmen der Politik. So hatte die People’s Bank of China Anfang August die Zinssätze gesenkt, was zu einer Erholung der Verbraucherstimmung führen dürfte.

Letzte Woche hat Peking zudem ein 150-Milliarden-US$-Konjunkturpaket angekündigt, um die chinesische Wirtschaft anzukurbeln, nachdem sich die Anfang des Jahres verhängten Corona-Lockdowns in Großstädten rezessiv ausgewirkt hatten.

Analysten sind skeptisch

Investoren sollten sich jedoch nicht zu früh darüber freuen, dass die Misere der chinesischen Aktien nun vorbei ist. Dass der Audit-Deal weiterhin nicht in trockenen Tüchern ist, zeigt die Skepsis einiger Analysten. So geht die Investmentbank Goldman Sachs weiterhin von einer 50:50-Chance aus, dass die chinesischen Konzerne die US-Märkte doch noch verlassen müssen.

Andrew Polk von der Beratungsfirma Trivium wettet sogar trotz der jüngsten Vereinbarung der Behörden auf ein Massen-Delisting. Dabei verwies er bei Twitter auf die unterschiedlichen Lesarten des Abkommens: Während die PCAOB von einem „kompletten Zugang“ spreche, müssen die US-Kontrolleure laut CSRC über ihre chinesischen Kollegen gehen. Erneuter Streit wäre somit vorprogrammiert.

Andere Experten verweisen darauf, dass das Konjunkturpaket Pekings möglicherweise sein Ziel verfehlen könnte. Schließlich befindet sich China in einer schweren Immobilien- und Energiekrise: Der Verkauf von Eigenheimen ist in diesem Jahr um 40% zurückgegangen, während schwere Dürreperioden zu Strombeschränkungen in Produktionszentren geführt haben.

In Anbetracht der hawkishen Rede des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell vergangene Woche besteht zudem die Möglichkeit, dass es geldpolitisch keine weiche Landung geben wird und die Weltwirtschaft in eine echte Rezession gerät. Für China wäre dies ebenfalls eine potenzielle Wachstumsbremse, da mehr als ein Drittel seines BIPs aus dem Außenhandel stammt. So besteht die Gefahr, dass Peking sein offizielles Wachstumsziel von 5,5% in diesem Jahr verfehlen könnte.

Für Anleger ist Vorsicht geboten

Alibaba hat zuletzt hervorragende Finanzergebnisse geliefert, die mich glauben lassen, dass die Phase der Gewinnrückgänge bei dem Nasdaq-Konzern endlich beendet ist. Trotz der offensichtlichen Bemühungen Pekings, eine Rezession abzuwenden und ein Massen-Delisting chinesischer Unternehmen zu vermeiden, sind die politischen Risiken für China-Aktien derzeit sehr hoch.

Anleger können zwar mit der Alibaba-Titel, der sich aktuell auf Tiefstständen von 2017 befindet, aus meiner Sicht weiterhin darauf wetten, dass ein Nasdaq-Delisting und eine Wirtschaftskrise ausbleiben. Ich würde jedoch dazu raten, nur einen sehr keinen Portfolio-Anteil dafür verwenden.

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