Myovant Sciences: BB Biotech kann (ein bisschen) feiern!
Größter Gewinner an der Wall Street ist heute – mit mehr als +100% – das Papier des US-amerikanischen Biotechunternehmen Myovant Sciences (WKN: A2DFYA). Dies dürfte dafür sorgen, dass auch in der Schweiz heute die Sektkorken knallen.
Denn an Myovant Sciences hält auch das Schweizer Biotech-Investmentunternehmen BB Biotech eine Position, wenngleich noch eine kleine. Getreu ihrer neuen Devise haben die Schweizer ja in den vergangenen Wochen und Monaten ihre Positionen in Altstars wie Celgene (wird derzeit ja vom Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb übernommen und fliegt deshalb noch im Laufe dieser Woche aus dem S&P 500!) und Gilead Sciences reduziert und im Gegenzug versucht neue Stars zu finden.
Großer Umbau im Portfolio von BB Biotech
So befinden sich inzwischen mit Kezar Life Sciences, Cidara Therapeutics, G1 Therapeutics, Arvinas, Intra-Cellular Therapies, Scholar Rock, Homology Medicines, Wave Life Sciences, Sangamo Therapeutics, CRISPR Therapeutics, Akcea Therapeutics, Audentes Therapeutics, Voyager Therapeutics, Exelixis, Macrogenics, Alder Biopharmaceuticals, Myokardia, Moderna Therapeutics, ArgenX, Agios Pharmaceuticals, Halozyme Therapeutics, Esperion Therapeutics, Alnylam Pharmaceuticals sowie eben auch Myovant Sciences zahlreiche neue, heiße Aktien im Portfolio von BB Biotech.
Allerdings wird es, das gehört auch zur Wahrheit, wohl erst einmal nur ein Gläschen Sekt sein, dass sich die Schweizer gönnen können und werden. Denn leider ist die Gewichtung von Myovant Sciences mit „nur“ 0,8% am Gesamtportfolio noch recht gering. Andererseits war das vor einigen Jahren bei den späteren Stars Celgene und Gilead Sciences auch nicht anders. Denn die Schweizer sind dafür bekannt ihre Positionen in Verliereraktien konsequent ab- sowie in Gewinneraktien genauso konsequent sukzessive auszubauen.
Lassen Sie uns nun aber gemeinsam anschauen, ob der Kurssprung bei Myovant Sciences heute gerechtfertigt ist oder nicht – und ob Myovant Sciences somit längerfristig eine Gewinneraktie sein beziehungsweise werden kann!
Ergebnisse der klinischen Phase 3-Studie HERO
Bevor ich gleich zu den Fundamentaldaten komme, lassen Sie mich kurz auf den Grund des heutigen Kursfeuerwerks eingehen. Dieser liegt nämlich im positiven Abschluss einer klinischen Phase 3-Studie unter dem Namen HERO mit dem Medikamenten-Kandidaten Relugolix, der später bei Männern mit androgensensitivem fortgeschrittenem Prostatakrebs zum Einsatz kommen soll. Im Rahmen dieser Studie wurde Relugolix dabei gegen das aktuelle Standardtherapeutikum Leuprolidacetat getestet.
Dabei konnte Relugolix seinen Wirksamkeitsendpunkt klar erreicht. So gelang es bei 96,7% der Männer, die Relugolix erhielten, eine anhaltende Testosteronsuppression um so die Kastratenspiegel zu senken. Darüber hinaus wurden auch alle sechs sekundären Endpunkte erreicht. So waren insbesondere die Nebenwirkungen bei den Patienten letztlich etwas geringer als bei den Patienten mit Leuprolidacetat. Aufgrund dieser klinischen Studienergebnisse möchte das Management im zweiten Quartal 2020 die Zulassung des Medikaments bei der FDA beantragen.
Fundamentale Bewertung der Aktie
An der New York Stock Exchange (NYSE) weist Myovant Sciences, nach dem heutigen Kurssprung, einen Börsenwert von rund 1,15 Mrd. US-Dollar auf. Dafür bekommt man die Aktie eines Unternehmens, dass in den Geschäftsjahren (das Geschäftsjahr endet hier stets Ende März!) 2017, 2018 und auch 2019 einen Jahresumsatz von Null ausgewiesen hat. Zugleich steigerte die Gesellschaft jedoch ihren Nettoverlust im gleichen Zeitraum von gut -83,4 Mio. über gut 143,5 Mio. auf zuletzt sage und schreibe gut -273,5 Mio. US-Dollar.
Auch im laufenden Geschäftsjahr 2020e wurde bis dato ein Jahresumsatz von Null bei einem kumulierten Nettoverlust von über -138 Mio. US-Dollar eingefahren. Demgegenüber stehen langfristige Schulden von rund 92 Mio. US-Dollar sowie kurzfristige Verbindlichkeiten von gut 60 Mio. US-Dollar, insgesamt beträgt der Schuldenstand sogar fast 167 Mio. US-Dollar. Gleichzeitig befinden sich jedoch auch noch fast 131 Mio. US-Dollar an Cash/Cash-äquivalenten Mitteln sowie über 27 Mio. US-Dollar an kurzfristig monetarisierbaren Investments auf der Habenseite.
Alles in allem gibt es also keine wirkliche Netto-Cashposition. Ja, ohne den entsprechenden Erfolg in der Forschung wären hier wohl bald die Uhren ausgegangen. Mit diesem Erfolg im Rücken jedoch besteht nun natürlich die Option entweder einen finanziell potenten Partner aus der Biopharma-Branche an Bord zu holen oder aber eine Kapitalerhöhung durchzuführen, um so die Finanzierung der Gesellschaft zu sichern.
Marktpotenzial für Relugolix
Grundsätzlich ist das Marktpotenzial für Relugolix sehr schwierig abzuschätzen. Denn zwar ist der weltweite Onkologie-Markt riesig, Relugolix adressiert jedoch einen sehr speziellen Teil dieses Marktes. Andererseits ist es, anders als das bisherige Standardtherapeutikum, oral einnehmbar und muss nicht wie dieses von einem Arzt mit einer Spritze injiziert werden. Wichtig zu wissen ist darüber hinaus vielleicht auch noch, dass viele Bodybuilder Leuprolidacetat illegal als Dopingmittel nutzen. Auch hier könnte Relugolix das Standardpräparat ablösen, auch wenn man als Anleger nicht in erster Linie darauf setzen sollte.
Alles in allem würde ich Relugolix jedoch durchaus zutrauen Leuprolidacetat als Standardpräparat abzulösen und so zu einem Blockbuster zu avancieren. Zur Erinnerung: Als Blockbuster werden in der Biotech- und Pharmabranche Medikamente mit einem Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde US-Dollar bezeichnet. Ein Medikament, das mindestens einen Jahresumsatz von einer Milliarde US-Dollar einbringt, hat meines Erachtens– je nachdem wie gut und lange der Patentschutz noch ist – durchaus einen Marktwert zwischen fünf und 10 Mrd. US-Dollar.
Sollte das Management von Myovant Sciences daher Wort halten und den Zulassungsantrag für Relugolix tatsächlich im zweiten Quartal 2020 einreichen können, wäre dies sehr positiv zu werten. Allerdings fehlt dann immer noch die Diskussion des Expertenpanels der FDA sowie letzten Endes die entsprechende Marktzulassung. Geht alles glatt, könnte jedoch auch diese bis Ende 2020 vorliegen. In diesem Fall müsste man den Börsenwert von Myovant Sciences daher wohl auf mindestens fünf Milliarden US-Dollar taxieren.
Fazit: Die Aktie ist interessant, aber...
Obwohl die Aktie heute explodiert, scheint das Kursfeuerwerk hier – anders als zuletzt bei NextCure oder aktuell bei Karuna Therapeutics – noch nicht übertrieben zu sein. Grundsätzlich nämlich hätte die Aktie durchaus das Potenzial sich auch von diesem Kursniveau aus nochmals zu verdoppeln, verdreifachen oder mehr. Allerdings hängt dies natürlich noch an einigen Faktoren, die man aktuell noch nicht zuverlässig abschätzen kann, insbesondere eine reibungslose Zulassung von Relugolix durch die FDA.
Hinzu kommt noch, dass das Unternehmen eigentlich nicht genug Geld in der Kasse hat, um diesen ganzen Zulassungsprozess selbst zu stemmen. Insofern müsste hier entweder ein Partner aus der Biopharma-Branche gewonnen werden, der letztlich jedoch auch Geld verdienen möchte. Oder alternativ müsste wohl eine umfangreiche Kapitalerhöhung durchgeführt werden, die für eine entsprechende Verwässerung sorgt.
Ich würde dabei im vorliegenden Fall sogar letzteres begrüßen und sehe, zumindest in diesem Fall, nach einer kurzfristigen Korrektur (die die Aktie durchaus nochmal unter 10 US-Dollar zurück führen könnte), ein Kursziel zwischen 20 und 25 US-Dollar. Wichtig ist jedoch, dass man als Anleger a) nicht sofort in die laufende Euphorie hinein kauft, sondern wirklich einen deutlichen Rücksetzer abwartet sowie b) dieses Kursziel auf Sicht von mindestens 18 Monaten zu sehen ist.