Mercedes-Aktie: Wichtige Trends verschlafen

27.04.22

Mercedes-Benz (WKN: 710000) hat für das erste Quartal starke Zahlen vorgelegt. Den eher vorsichtigen Jahresausblick wollte der Vorstand jedoch nicht anheben. Die Mercedes-Aktie klettert im frühen Handel zunächst um 5% aufwärts, am Nachmittag steht der Titel noch mit einem Plus von 1,5% bei 63,80 €. Langfristig steht der Stuttgarter Konzern vor zwei großen Herausforderungen.

Die Mercedes-Benz Group AG mit Sitz in Stuttgart konzentriert sich auf die Fertigung von Pkw und Vans. Nach der Abspaltung der Lkw-Sparte folgte per Anfang Februar die Umbenennung der einstigen Daimler AG. An der Börse hat der Konzern seitdem einen Wert von rund 80 Milliarden €.

Margen auf Rekordniveau

Im widrigen Umfeld aus Chipkrise und Ukraine-Krieg verdient Mercedes derzeit dank hoher Verkaufspreise weiter kräftig. So stieg das bereinigte Betriebsergebnis (EBIT) im ersten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast ein Fünftel auf 5,3 Milliarden €, wenn man nur die Geschäfte ohne das nun eigenständige Daimler Trucks betrachtet.

Die Pkw-Sparte erzielte eine Rendite in Rekordhöhe von 16,4% – ein Niveau, das sonst nur Luxusmarken wie Ferrari und Porsche erklimmen. Das starke Ergebnis hat Mercedes dem guten Preisumfeld für Neuwagen- und Gebrauchtwagen sowie Kosteneinschnitten zu verdanken, außerdem seinem Fokus auf hochpreisige Modelle.

Insgesamt hat Mercedes zwischen Januar und März seinen Konzernumsatz gegenüber dem Vorjahresquartal um +6% auf knapp 35 Milliarden € erhöht – und das trotz eines um 10% gesunkenen Absatzes. Vor allem die teuren und elektrifizierten Modelle verkauften sich gut, weshalb der DAX-Konzern auch die knappen Chips vorrangig in diese Fahrzeuge einbaute. So verkaufte das Unternehmen knapp ein Fünftel mehr E-Autos als in Q1 2021.

Unter dem Strich stand für die Aktionäre im ersten Quartal ein Gewinn von 3,5 Milliarden €, was vor allem aufgrund der Daimler-Truck-Abspaltung 20% weniger ist als im Vorjahr. Für die Diesel-Affäre und den weitgehenden Russland-Rückzug musste Mercedes zwischen Januar und März rund eine Milliarde € aufwenden. Aus dem Verkauf von kanadischen Niederlassungen machte der Autobauer hingegen einen Sonderertrag von 918 Millionen €. Aus den fortgeführten Geschäften erzielten die Stuttgarter einen kleinen Gewinnanstieg.

Prognose bliebt eher vorsichtig

Auch wenn ein JPMorgan-Analyst von einem sehr starken Quartal sprach, konnte sich das Management nicht dazu durchringen, den Ausblick für das laufende Jahr anzuheben. Die operative Marge soll weiterhin in einer Spanne 11,5 bis 13 landen. Finanzchef Harald Wilhelm stellte nun jedoch klar, dass er einen Wert am oberen Ende des Prognosebereichs erwartet.

Gleichwohl warnte Wilhelm davor, dass sich die hohen Gebrauchtwagenpreise im Jahresverlauf „nicht mehr ganz so positiv“ entwickeln könnten wie zuletzt. In China drohten zudem Covid-19-Lockdowns die Produktion in Peking und die Lieferketten zu stören. Nicht zuletzt dürfte die Inflation auch die Kosten für Material, Energie und Personal stärker steigen lassen als zu Jahresbeginn gedacht, sagte der Mercedes-CFO.

Abhängig von Nvidia und Co.

Die starken Quartalszahlen und die stabile Prognose von Mercedes fanden zunächst Anklang an der Börse. Die DAX-Aktie legte nach Handelsbeginn stark los und kletterte um fast +5% auf 65,50 €. Am Nachmittag verlor der Titel jedoch den Großteil der Zugewinne wieder und notierte mit einem Tagesplus von 1,5% bei 63,80 €.

Trotz der schönen Momentaufnahme ist die Ausgangslage für Mercedes derzeit schwierig. Sorgen macht zum einen das schwächelnde China-Geschäft, das sich die Stuttgarter selbst eingebrockt haben, indem sie wesentliche Kundenbedürfnisse ignoriert haben. So machen heimische Marken dem DAX-Konzern die Absätze streitig, indem sie ihre Modelle üppig ausstatten und perfekt vernetzen. Gegenüber Nio, Geely und Xpeng fällt Mercedes mit seiner eher spröden Ausstattung ab.

Zudem dürfte die deutsche Autoindustrie bald zu spüren bekommen, dass sie in den vergangenen 10 Jahren den wichtigsten Faktor in der Branche nicht ernst genommen hat: Software und Computer-Prozessoren. Damit ist die Stuttgarter Nobelkarossen-Schmiede nun auf Tech-Riesen wie Nvidia angewiesen, die sich nicht wie andere Zulieferer mit 5% Rendite abspeisen lassen.

Radikales Umdenken nötig

Noch sprudeln durch die Luxusstrategie für Mercedes zwar die Gewinne; langfristig bleibt der DAX-Konzern jedoch einen entscheidenden Schritt hinter dem E-Auto-Pionier Tesla und einigen chinesischen Produzenten, die alle ihre Elektronikarchitektur aus erster Hand erhalten. Eine Aufholjagd wäre möglich. Dies würde jedoch ein radikales Umdenken erfordern, wie man es schwerfälligen deutschen Großkonzernen kaum zutrauen mag.

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