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Wirecard nach den Betrugsvorwürfen: die große Analyse!

Alexander Schornstein / 28.03.19 / 11:14

Keine Frage, die Aktie des neuesten DAX-Titels Wirecard (WKN: 747206) stand in den letzten Wochen eindeutig im Fokus des Interesses der Anleger. Grund hierfür waren Vorwürfe des britischen Journalisten Dan McCrum von der "Financial Times", der dem Konzern Betrug vorwarf. Das Management von Wirecard dementierte diese Vorwürfe natürlich stets. Trotzdem brach die Aktie, nur aufgrund der erhobenen Vorwürfe, innerhalb kurzer Zeit phasenweise um mehr als -50% ein.

Insgesamt muss man konstatieren, dass dieser Fall dem aktuellen Stand nach nur Verlierer produziert hat. So haben sich zwar einige Vorwürfe von Herrn McCrum bestätigt, dabei geht es jedoch um vergleichsweise sehr kleine Summen. Daher muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, diese Sache – aus welchen Motiven auch immer – stark aufgebauscht zu haben. Leider hat sich jedoch auch das Management von Wirecard um CEO Markus Braun nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Denn Wirecard musste von Anfang an einräumen, dass es gewisse Probleme in Asien gegeben hat und man eine externe Anwaltskanzlei mit der Prüfung der Vorgänge beauftragt habe. Wenn dem aber so war, warum hat das Unternehmen dann nicht unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe und Einleitung der Untersuchung alles publik gemacht? Das fragt sich inzwischen sogar die BaFin und hat zumindest diesbezüglich Ermittlungen gegen Wirecard eingeleitet.

Shortverbot der BaFin – ein kolossaler Fehler

Apropos BaFin! Auch unser Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat sich in diesem Fall nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So war das erlassene Shortverbot für Aktien von Wirecard nicht nur ein bisher einzigartiger Fall. Meines Erachtens hat die BaFin hier auch völlig falsch gehandelt. Denn zum Zeitpunkt, als dieses Shortverbot erlassen wurde, war noch gar nicht klar ob das Unternehmen oder einzelne Führungspersonen gegen Gesetze verstoßen haben.

Wäre bei den Untersuchungen daher nun herausgekommen, dass dem so war, hätte man die BaFin wohl schon aufgrund des Vertrauensverlusts bei den (internationalen) Kapitalanlegern auflösen müssen. Aber wie es aussieht, hat die BaFin nochmal Glück gehabt. Denn die Prüfung der Vorwürfe durch die Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann aus Singapur hat – so meldete es Wirecard sogar mal per Adhoc-Mitteilung – keinerlei Anzeichen für großangelegte Betrügereien ergeben.

Wirecard muss, gerade als DAX-Konzern, viel transparenter werden!

Wie eingangs schon erwähnt, hätte Wirecard diesen ganzen Zirkus zuletzt weitestgehend vermeiden können, wenn man selbst von Anfang an mit offenen Karten gespielt und alle Vorgänge transparent gemacht hätte. Dies hat man jedoch nicht für nötig gehalten und dafür die Quittung bekommen. Umso erstaunlicher finde ich, dass Wirecard respektive der CEO Markus Braun offensichtlich nicht viel daraus gelernt hat.

 

So hat Wirecard zwar die oben verlinkte Stellungnahme zum Abschlussbericht von Rajah & Tann veröffentlicht, den Abschlussbericht an sich will man jedoch unter Verschluss halten. Damit fehlt es nicht nur erneut an der entsprechenden Transparenz, die neuen Spekulationen Tür und Tor öffnet. Vielmehr rudert man damit auch deutlich zurück, da man eigentlich den Anteilseignern eine Offenlegung dieses Berichts versprochen hatte. Schade!

Anwaltskanzlei mit Interessenskonflikt, Behörden ermitteln weiter

Generell wurde die Adhoc-Mitteilung von Wirecard zwar überall mit Erleichterung aufgenommen, noch ist das Unternehmen jedoch längst nicht aus dem Schneider. Denn die Rechtsanwaltskanzlei Rajah & Tann ermittelte ja im Auftrag des Unternehmens, so dass es hier einen entsprechenden Interessenskonflikt gibt. Auch wegen der weiterhin fehlenden Transparenz sind daher viele Analysten und Anleger noch immer nicht vollends von der Unschuld des Konzerns überzeugt.

Zumal auch die offiziellen Behörden in Singapur und Indien weiter ermitteln. Es ist daher keineswegs ausgeschlossen, dass am Ende doch noch Dinge herauskommen könnten, die Wirecard lieber unter der Decke halten würde. Dies gebe ich nur zu bedenken, damit sie nach dem Lesen meiner Analyse nicht blind in die Aktie einsteigen. Denn für meine Analyse muss ich natürlich den aktuellen Status quo zugrunde legen und von der völligen Unschuld Wirecards ausgehen.

Umsatz- und Gewinnentwicklung zuletzt und Prognose für 2019

Alleine zwischen 2014 und 2018 hat Wirecard seinen Jahresumsatz von 601 Mio. auf 2,1 Mrd. Euro mehr als verdreifacht. Dies entsprach einem Umsatzwachstum von durchschnittlich ca. +51,75% und muss als hervorragend bezeichnet werden. Selbst wenn man vielleicht monieren könnte, dass das Umsatzwachstum in 2018 auf "nur" noch +40% zurückgegangen ist. Dies ist nämlich einfach auch der höheren Ausgangsbasis geschuldet.

Doch das Umsatzwachstum allein mag beeindruckend gewesen sein, wichtiger ist jedoch natürlich immer die Gewinnentwicklung. Hier wuchs Wirecard zwar nicht ganz so stark, dennoch wurde auch der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 172,9 Mio. Euro in 2014 auf zuletzt 412,6 Mio. Euro in 2018 gesteigert, was einem durchschnittlichen Gewinnwachstum von immer noch beeindruckenden +33,6% p.a. entsprach.

Da Wirecard erst kürzlich nochmal die eigenen Prognosen bestätigt hat, ist für 2019 weiterhin von einem Jahresumsatz in Höhe von ca. 2,65 Mrd. Euro bei einem EBITDA zwischen 740 und 800 Mio. Euro auszugehen. Dies entspräche einem Umsatzwachstum um ca. +26,2% bei einem Gewinnwachstum zwischen +79,4% bis +93,9% - im arithmetischen Mittel also um ca. +86,6%. Auch dies müsste man selbst dann als hervorragend klassifizieren, wenn nur das untere Ende der vom Management in Aussicht gestellten Gewinnspanne erreicht würde.

Fundamentale Bewertung ist nach dem Kursrückgang okay

Nach den starken Kursverlusten der letzten Wochen sowie der starken Kurserholung zuletzt, liegt die Marktkapitalisierung des DAX-Konzerns aktuell bei knapp 15,4 Mrd. Euro. Demgegenüber soll bekanntlich für 2019 ein Jahresumsatz von ca. 2,65 Mrd. Euro sowie ein EBITDA-Gewinn von, im arithmetischen Mittel, 770 Mio. Euro liegen. Somit weist die Aktie aktuell ein KUV 2019e von ca. 5,8 sowie ein KGV 2019e von knapp 24 auf.

Damit ist die Aktie auf den ersten Blick sicherlich kein Schnäppchen. Allerdings muss man eben auch das starke Umsatz- und Gewinnwachstum berücksichtigen. Demnach wäre hier durchaus auch ein KUV 2019e zwischen sieben und acht sowie ein KGV 2019e von bis zu 35 angemessen. Im absoluten "Best Case" wäre somit auch eine Marktkapitalisierung zwischen 19,8 und 21,7 Mrd. Euro möglich, was Aktienkursen zwischen ca. 160,00 und 175,00 Euro entsprechen würde.

Fazit: Die Aktie verfügt über ein gewisses Kurspotenzial und erscheint kaufenswert!

Somit komme ich zu folgendem Fazit. Immer unter der Voraussetzung, dass sich die zuletzt erhobenen Vorwürfe tatsächlich nicht erhärten, liegt der fundamental faire Wert der Aktie deutlich über dem aktuellen Kursniveau. So wären hier Kursziele zwischen 160,00 und 175,00 Euro aus rein fundamentaler Sicht durchaus vertretbar, was einem Kurspotenzial in Höhe von mindestens knapp +30% entsprechen würde. Im besten Fall läge dieses sogar bei bis zu ca. +42%. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aktie auf dem aktuellen Kursniveau unter 125,00 Euro kaufenswert.

Wichtig ist jedoch, dass sich die Vorwürfe nicht doch noch erhärten und die Geschäfte von den Vorfällen nicht belastet werden. Wünschenswert wäre zudem, dass das Management in Zukunft für deutlich mehr Transparenz sorgt, um weitere solche Short-Attacken zu vermeiden. Leider ist dies bisher nicht erkennbar, eher im Gegenteil. Die letzte Short-Attacke gegen Wirecard mag, sofern es dabei bleibt, erneut weitestgehend ungerechtfertigt gewesen sein. Letztlich hat sie der Aktie jedoch insofern nicht geschadet, als dass diese – wohl auch aufgrund der Spekulationen um die letztlich ja auch erfolgte DAX-Aufnahme – einfach zu heiß gelaufen und somit ohnehin etwas zu teuer war.

Der Journalist Dan McCrum und die "Financial Times" haben daher mit ihrer Berichterstattung letztlich eigentlich "nur" für eine völlig normale Korrektur des Titels gesorgt. Diese Korrektur bietet daher nun wieder eine sehr gute Einstiegs- bzw. Nachkaufgelegenheit. Allerdings steht diese Einschätzung eben, ich kann das gar nicht oft genug betonen, unter der klaren Prämisse, dass die noch ermittelnden Behörden keine größeren Unregelmäßigkeiten bei dem Unternehmen mehr aufdecken.

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