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Psychedelika-Aktien: Ist eine Revolution im Gange?

André Doerk / 10.02.21 / 11:04

In der Tristesse des Pandemie-Alltags steigt die Zahl der Menschen mit Suchterkrankungen, Depressionen und Burnout so hoch wie noch nie. Die gängigen Therapien belasten die Gesundheitssysteme massiv und helfen bei Weitem nicht allen Patienten. Hoffnung macht jedoch die Forschung an den weitgehend illegalen Psychedelika wie LSD, Psilocybin oder MDMA. Seit Neuestem hat Kanada die Substanzen für die medizinische Nutzung freigegeben und womöglich eine Legalisierungswelle ausgelöst. Den Herstellern von psychedelischen Medikamenten winkt ein riesiges Marktpotenzial. Wir geben alle Fakten zum Psychedelika-Boom und stellen ein paar aussichtsreiche Kandidaten für ein Investment vor.

Den halben Tag in einem behaglichen Bett liegen, klassische Musik auf den Kopfhörern und 25 Milligramm Psilocybin im Blut, die psychoaktive Substanz in halluzinogenen Pilzen: So könnte in wenigen Jahren eine Routinetherapie aussehen für Patienten mit Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen oder posttraumatischem Belastungssyndrom.

Fakt ist: Immer mehr Studien renommierter Institute legen nahe, dass Psilocybin den psychischen Zustand dieser Menschen verbessern kann – vorausgesetzt, die Substanz wird in einer kontrollierten Umgebung eingenommen. Ähnliche Forschungsergebnisse existieren für andere Halluzinogene wie LSD, MDMA (Wirkstoff der Partydroge Ecstacy) oder den psychodelisch wirkenden Pflanzensud Ayahuasca.

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In einer großangelegten Studie der Johns-Hopkins-Universität etwa wurde MDMA an Probanden verabreicht, die zuvor durchschnittlich 18 Jahre an einer schwerer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten hatten. 68% von ihnen konnten mit der Ecstacy-Psychotherapie geheilt werden. In einem Bereich, in dem von Heilung normalerweise nicht zu sprechen ist, dürfen diese Ergebnisse zu Recht als revolutionär betrachtet werden.

Renaissance der Halluzinogen-Forschung

Studien zur kontrollierten Einnahme von Psychedelika haben bereits in den 1950er und -60er Jahren vielversprechende Resultate bei der Behandlung von psychischen Leiden gezeigt. Nachdem jedoch die Vereinigten Staaten 1966 die Substanzen als gefährliches Rauschmittel eingestuft und verboten haben, kam auch die Forschung auf dem Gebiet weitgehend zum Erliegen.

Seitdem hat die Zahl der psychischen Erkrankungen stark zugenommen. Riesige Märkte sind entstanden für die Behandlung von Depressionen, ADHS (jeweils knapp 10 Milliarden US$), Suchtproblemen (5,8 Milliarden $) und Angstleiden (4,7 Milliarden $). Die konventionellen Therapien für psychische Störungen zeigen häufig jedoch wenig Wirkung. Im Fall von Depressionen etwa gilt jeder dritte Patient als behandlungsresistent. Das sind allein in Nordamerika und Europa 20 bis 30 Millionen Menschen.

Für die Gesundheitssysteme sind das teure Patienten: Behandlungen, Krankenhausaufenthalte und Reha summieren sich im Schnitt auf 17.000 bis 20.000 € im Jahr. Die Kostenträger sind entsprechend bereit, erhebliche Mittel aufzurufen für Behandlungsoptionen mit größeren Erfolgschancen.

Aufgrund dieser Entwicklungen erlebt die Halluzinogen-Forschung seit der Jahrtausendwende eine Renaissance, die für viele Menschen mit psychischen Leiden ein Segen sein könnte – aber ebenso das Potenzial hat, die Gesundheitssystem massiv zu entlasten. So weisen viele neue Untersuchungen darauf hin, dass die Halluzinogene schneller, nachhaltiger und mit weniger unerwünschten Begleiterscheinungen wirken als herkömmliche Psychopharmaka.

Der Bedarf ist also riesig. Marktexperten sagen Psilocybin und Co. deshalb eine goldene Zukunft voraus: Bis 2027 könnte der Psychedelika-Therapiemarkt laut ReasearchAndMarkets.com auf ein Volumen von über 10 Milliarden US$ anwachsen.

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Die Investment-Kandidaten

Marktpotenzial der Halluzinogene kombiniert mit den vielversprechenden Forschungsergebnissen haben in den vergangenen Jahren mehr und mehr Investoren angelockt. Richtig an der Börse angekommen sind Psychedelika-Aktien jedoch erst Ende 2020. Am 3. November des Jahres hat der US-Bundesstaat Oregon den Einsatz von Psilocybin für den therapeutischen Einsatz legalisiert und damit bei Anlegern einen ersten „Shroom Boom“ ausgelöst. Das Mitwirken von prominenten Investoren wie Peter Thiel oder Christian Angermayer sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit.

Ein gutes Dutzend „psychedelische“ Medikamentenentwickler sind in den vergangenen Monaten an die Börse gegangen, mehr dürften noch folgen. Wir stellen im Folgenden einige interessante Optionen für Anleger vor, die an einem möglichen Erfolg der neuartigen Psychopharmaka teilhaben wollen. Gleichzeitig würde ein Investment dabei helfen, dass sich für Menschen mit psychischen Störungen aussichtsreiche Therapieoptionen eröffnen.

Compass Pathways

Compass Pathways (WKN: A2QCDR) ist bekannt für die Entwicklung einer synthetischen Form von Psilocybin. Seit September 2020 ist das britische Unternehmen an der US-Tech-Börse Nasdaq notiert und erlangte zwischenzeitlich eine Marktkapitalisierung von deutlich über 2 Milliarden US$. Zwei Drittel des einstigen Höchststands hat das Pharma-Start-up im Laufe des vergangenen Jahres jedoch wieder verloren.

Anders als die meisten anderen Psychedelika-Unternehmen befindet sich Compass mit seinem experimentellen Medikament nicht erst in der präklinischen Phase. Der unter dem Namen COMP360 bekannte Pipeline-Kandidat der Briten hat im November eine Midstage-Studie zur Therapie bei behandlungsresistenten Depressionen beendet.

Als der Arznei-Entwickler jedoch die ersten Daten der Stufe-2b-Untersuchung veröffentlichte, schickten die Anleger die Aktie auf Talfahrt. Das Unternehmen pries die Resultate zwar als sehr positiv an, da die Therapie eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verringerung der Symptomschwere nach drei Wochen anzeigte. Die fehlende Signifikant für den sekundären Endpunkt der Studie löste bei vielen Investoren jedoch Bedenken aus. So hatten nach zwölf Wochen nur noch knapp ein Viertel der Probanden auf die Behandlung angesprochen.

Den Start der dritten Entwicklungsphase für COMP360 bei therapieresistenter Depression strebt das Unternehmen Mitte 2022 an. Lars Wilde, Mitbegründer und Chief Business Officer von Compass, erklärte jüngst, das Ziel des Unternehmens sei, bis Ende 2024 oder 2025 in Nordamerika und Europa zulassungsfähig zu sein.

Dabei wird der britische Arznei-Entwicklers wahrscheinlich von seinem großen Trumpf Gebrauch machen: Die US-Behörde FDA hat COMP360 bereits 2018 einen Breakthrough-Status erteilt. Unter dieser Kennzeichnung können Untersuchungen und Zulassungen für neue Therapien und Wirkstoffe beschleunigt werden. Auch wenn Compass Pathways nicht das einzige Pharma-Unternehmen mit Fokus auf synthetisches Psilocybin ist, so hat das Unternehmen doch einen nicht zu verachtenden Vorsprung.

Mind Medicine

Mind Medicine (WKN: A2P09G, kurz: MindMed) ist ein in New York ansässiges Unternehmen, das spezialisiert ist auf Therapien mit pharmakologisch optimierten Formen von LSD, MDMA, DMT sowie 18-MC. Im 4. Quartal 2020 verzehnfachte sich der Aktienkurs des Arznei-Entwicklers auf 4 US$, gab jedoch im Laufe des vergangenen Jahres wieder drei Viertel der Gewinne ab. Der Börsenwert des Unternehmens liegt derzeit bei 493 Millionen US$.

MindMed verfügt über die am breitesten gefächerte Pipeline an Psychedelika in der klinischen Entwicklung – darunter die experimentelle LSD-Therapie „Project Lucy“ zur Behandlung von generalisierter Angststörung (GAS), die sich bereits in Phase 2b befindet. Im zweiten Untersuchungsstadium befinden sich weitere Studien zu LSD-Microdosing (Project Flow) und einem Mittel für den Opioid-Entzug (Project Layla).

Im vergangenen Mai verkündete die Biotech-Firma zudem den Start von „Project Angie“, das die Effektivität von LSD bei der Schmerzbekämpfung testen soll. Mind Medicine arbeitet obendrein an diversen Patenten – etwa für einen LSD-Neutralisator, der den halluzinogenen Effekt der Substanz blockieren soll.

Numinus Wellness

Die kanadische Firma Numinus Wellness (WKN: A2P4XN) erlebte in der Euphorie des Winters 2020/21 an der Börse ebenfalls einen kometenhaften Aufstieg. Der Aktie des Pharma-Unternehmens versiebenfachte in wenigen Wochen auf über 1,75 CA$; zwei Drittel des Höchstwerts sind mittlerweile jedoch wieder verloren, die Marktkapitalisierung liegt nun bei 130 Millionen CA$.

Die Kanadier wollen sich ganzheitlich in der psychedelischen Therapie aufstellen und verfügen über drei Geschäftsbereiche: Numinus Bioscience, Numinus Health und Mindspace Psychology Services. Numinus Bioscience betreibt eine hochmoderne Forschungseinrichtung in British Columbia. In dem zertifizierten Labor betriebt das Unternehmen Auftragsforschung für psychedelische Wirkstoffe und erforscht gleichzeitig auch eigene Wirkstoffe. Die Health-Canada-Lizenzen erlauben es dem Unternehmen, MDMA, Psilocybin, DMT und Meskalin zu testen, zu besitzen, zu kaufen und zu verkaufen.

Über den Geschäftsbereich Numinus Health bietet das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Kliniken und Therapeuten Behandlungen und virtuelle Dienste für die körperliche, geistige und emotionale Gesundheit an in Vancouver. Vor einem Jahr vollzog Numinus die Übernahme des Konkurrenten Mindspace. Die in Montreal ansässige Organisation leistete Pionierarbeit bei der Ausbildung von Klinikern, die ihre Klienten beim sicheren Umgang mit Psychedelika unterstützen. In den beiden Standorten in Montreal bietet die Numinus-Tochter unter anderem eine Ketamin-gestützte Psychotherapie für behandlungsresistente Depressionen.

Mit Einrichtungen, die für ein breites Spektrum an psychedelisch unterstützten Psychotherapien ausgelegt sind, Therapeuten, die bereits in der Durchführung von Psilocybin- und MDMA-unterstützten Therapien geschult sind, und einer Vertriebslizenz von Health Canada ist Numinus als nationaler Marktführer gut positioniert.

Atai Life Sciences

Atai Life Sciences ist das Magic-Mushroom-Projekt des deutschen Serial Entrepreneurs Christian Angermayer. Seit Mitte Juni 2021 ist die in Berlin ansässige Holding an der US-Tech-Börse Nasdaq notiert. Dort legte die Aktie jedoch eine Bruchlandung hin: Von anfangs 19,50 US$ purzelte der Kurs konstant und verlor fast drei Viertel seines Werts. Derzeit liegt die Marktkapitalisierung des Unternehmens bei 843 Millionen US$.

Die Aktivitäten von Atai, die auch von PayPal-Gründer Peter Thiel unterstützt werden, finden in Form von elf Beteiligungen an unterschiedlichen Psychedelika-Start-Ups statt. So ist die Berliner Gruppe auch Großaktionär von Compass Pathways. Die risikomindernde Konstruktion der Berliner Holding könnte für langfristige Anleger der Halluzinogen-Branche durchaus attraktiv sein.

Legalisierungswelle im Anmarsch?

Nach dem ersten Hype befinden sich die Psychedelika-Aktien analog zum Cannabis-Markt derzeit noch in einer Konsolidierungsphase. Was Investoren abschreckt, ist die Tatsache, dass die untersuchten Substanzen weltweit weitestgehend verboten sind.

Das könnte sich jedoch bald ändern. Nach dem US-Staat Oregon gab jüngst auch die kanadische Gesundheitsbehörde für die neuartigen „Trip-Therapien“ grünes Licht: Seit dem 19. Januar 2022 sind Psychedelika und MDMA für die medizinische Nutzung im ganzen Land uneingeschränkt zugelassen. Bislang waren die Substanzen in dem Land ausschließlich in der Palliativmedizin und mit einer Ausnahmegenehmigung erlaubt gewesen.

Der rechtliche Durchbruch in Kanada könnte bald eine Legalisierungswelle auslösen in Staaten wie Niederlande, Spanien, Portugal, Italien, wo der Besitz und Konsum von Halluzinogenen bereits teilweise entkriminalisiert ist. Unternehmen in der Branche können sich nun berechtigte Hoffnungen machen auf Marktzulassungen für ihre Präparate und Therapien – und damit auf erste nennenswerte Umsätze.

Börsengang Atai Life Sciences

 

Anleger müssen Geduld mitbringen

Fakt ist: Angesichts des hohen Bedarfs an erfolgsversprechenden Behandlungsoptionen für psychische Erkrankungen sind die potenziellen Renditen auf dem Halluzinogen-Markt beträchtlich. Sollten die Trip-Aktien eine ähnliche Entwicklung nehmen wie einige Cannabis-Werte es taten, könnten frühe Investoren, die bereit sind, Risiko und Volatilität zu tragen, spektakuläre langfristige Gewinne erzielen.

Ohne ein marktreifes Produkt bleibt ein Einzel-Investment in Psychedelika-Aktien für Anleger jedoch gewagt. Wer in den Sektor investieren will, jedoch über keine hohe Risikotoleranz verfügt, für den bietet sich auch eine Investition an in den Defiance Next Gen Altered Experience ETF (ISIN: US26922B8081). Der börsengehandelte Fonds hält neben Compass, MindMed und Numinus auch diverse Unternehmen aus der Cannabis-Branche in seinem Portfolio.

Da die klinische Forschung zu Psychedelika jedoch erst am Anfang steht, brauchen Anleger sämtlicher Couleur in jedem Fall eins: einen langen Atem. Florian Brand, Co-Gründer von Atai Life Sciences, drückt es so aus: „Lassen Sie uns sehen, wo wir in 10 Jahren stehen.“

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