Bet-at-home: Nach Höhenflug kommt der Absturz

Marco Messina
09.11.20 um 11:29

Diese Kommunikationspolitik dürfte bet-at-home.com-Aktionäre (WKN: A0DNAY) verzweifeln lassen. Nach Erhalt der Sportwettenkonzession schickt der Ausblick 2021 den Aktienkurs auf Talfahrt.


Die Öffentlichkeitsarbeit von bet-at-home ist derzeit, gelinde gesagt, leicht verbesserungswürdig. Bereits in Vergangenheit ist aufgefallen, dass negative Unternehmensentwicklungen wie zum Beispiel der steuerliche Rechtsstreit in Österreich mit hohen Nachzahlungen in Millionenhöhe dem Kapitalmarkt im Vorfeld nicht so kommuniziert wurden, wie Anleger sich das wünschen.

Nun reihen sich in wenigen Tagen mehrere Nachrichten wie eine Perlenkette aneinander, die den Aktienkurs auf eine unnötige Achterbahnfahrt geschickt haben. Aktionäre sind genervt.

Was ist passiert?

Zunächst schien der Turnaround erreicht, als das Regierungspräsidium in Darmstadt, das für die deutschlandweite Vergabe der Konzessionen zuständig ist, nach Unternehmensangaben am 2. November der Gesellschaft die Sportwettenkonzession erteilt hatte. Bekanntlich sollen Wettkunden zukünftig nur noch maximal 1.000 Euro Wetteinsatz im Monat tätigen können. Damit würden viele Kunden von bet-at-home und anderen Anbietern aber erneut zu Wettanbietern auf dem Graumarkt getrieben werden. Diese Unsicherheit konnte das Unternehmen allerdings zerstreuen.

Bet-at-home hat nach eigenen Angaben die Ausnahmeregelungen erhalten, die monatlichen Spiellimits auf 10.000 Euro sowie bei einer limitierten Kundenanzahl auf 30.000 Euro erhöhen zu können. Für diese Ausnahmeregelung müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein und bestimmte Verlustgrenzen eingehalten werden.

So weit so gut, die Börse feierte die Erteilung der Konzession sowie die Ausnahmeregeln euphorisch. Im Hintergrund hat das Unternehmen aber den Bleistift noch mal gespitzt und nachgerechnet, wie sich die Regelungen auf die aktuelle Kundenbasis und deren Wettverhalten auswirken könnten. Insbesondere die Regelungen im ebenfalls wichtigen Online-Casino belasten die zukünftige Entwicklung immens.

Management prognostiziert Einbußen

Das Ergebnis ist sicherlich ernüchternd. Die regulatorischen Änderungen werden laut Unternehmen dazu führen, dass im Geschäftsjahr 2021 mit einem Rückgang im Brutto-Wett- und Gamingertrag von etwa 20 Millionen Euro im Vergleich zum laufenden Geschäftsjahr 2020 gerechnet wird. Zudem wird aus heutiger Sicht ein Rückgang im EBITDA von etwa 13 Millionen Euro  erwartet.

Zum Vergleich: Für das laufende Geschäftsjahr erwartet bet-at-home weiterhin einen Brutto-Wett- und Gamingertrag zwischen 120 bis 132 Millionen Euro sowie ein EBITDA in Höhe von 23 bis 27 Millionen Euro. Diese Kennzahlen hat das Unternehmen heute bei der Veröffentlichung der Quartalszahlen für das dritte Quartal noch einmal bekräftigt.

Die derzeitigen Planungen können sich noch verbessern, wenn bet-at-home die bundesweite deutsche Lizenz für virtuelle Automatenspiele sowie etwaige länderspezifische Konzessionen für weitere Online-Casino-Produkte wie beispielsweise Bankhalterspiele ab Juli 2021 erhalten kann. Dieser grundsätzlichen Regelung müssen aber noch die dreizehn Landesparlamente zustimmen.

Konkurrent Tipico im Fokus der Staatsanwaltschaft

Wie NDR und Süddeutsche Zeitung berichten, ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts der Veranstaltung illegaler Glücksspiele gegen mehrere Anbieter eben dieser virtuellen Casinospiele. Ein Verfahren richtet sich gegen Tipico, einen der größten Anbieter von Sportwetten und virtuellen Automatenspielen und einer der Hauptkonkurrenten von bet-at-home in den wichtigen Märkten.

Die Frankfurter Ermittlungen sind in meinen Augen bemerkenswert, weil der Online-Glücksspielmarkt ja wie erwähnt vor einer Liberalisierung steht. Unsicherheit von Tipico-Kunden könnte diese zumindest bei Sportwetten zu einem anderen in Deutschland bekannten Wettanbieter wie bet-at-home treiben, da dieser seit wenigen Tagen durch die erteilte Konzession über Rechtssicherheit verfügt.

Die jetzigen vorsichtigen Planzahlen für 2021 sind daher nicht in Stein gemeißelt. Dennoch ist kurzfristig natürlich erst einmal die Luft raus und wenig Kurspotenzial vorhanden. Auch wenn für das Geschäftsjahr die Planzahlen bestand haben und die Dividende sicher sein sollte, so wird doch im Kurs bereits die Zukunft gehandelt.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Korrektur des Ausblicks 2021 parallel mit der Erteilung der Konzession veröffentlicht wird. So wäre ein Jo-Jo-Effekt an der Börse ausgeblieben. Ich halte zunächst die Finger von der Aktie und warte auf neue Informationen seitens des Managements auf dem virtuellen Eigenkapitalforum in der kommenden Woche. Dort werde ich mich für Sie dann in die Präsentation des Unternehmens einklinken.

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