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Verschleierte Machenschaften bei Qimonda

Redaktion / 09.02.10 / 20:49

Ein ehemaliger Chipriese in der Abwicklung: Qimonda, einst Aushängeschild von Silicon Saxony, gibt es nicht mehr. Oder besser gesagt: nicht mehr so richtig.

Im Januar vergangenen Jahres musste die Infineon-Tochter den schweren Gang zum Insolvenzgericht antreten, nachdem Rettungsversuche unter Einbeziehung von Bund und Ländern scheiterten. Das Loch in den Kassen war zu groß, die damals ohnehin schon extrem schwierige Situation auf dem Speicherchip-Markt hatte sich durch die weltweite Wirtschaftskrise nochmals drastisch verschärft.

Überbrückungskredite oder Bürgschaften machten aufgrund unklarer Perspektiven zum damaligen Zeitpunkt wenig Sinn. So sollte die Insolvenz die Möglichkeit schaffen, den Konzern neu aufzustellen - mit Hilfe eines strategischen Investors. Dieser war dann auch gleich mehrfach im Gespräch. Eine Reihe von potenziellen Käufern wurde gehandelt, konkret wurde bis dato nie etwas. Ein Spiel auf Zeit, oder einfach kein Interesse?

Fakt ist, Qimonda ist schon längst nicht mehr das, was es einmal war: Der Betrieb wurde im Wesentlichen stillgelegt und 95% der Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Produktionsstätten in den USA und Asien wurden verkauft, im Dresdner Hauptwerk werden laut offizieller Bekanntmachung des Insolvenzverwalters Büroausstattung und Werkzeuge an den Mann gebracht. Moment mal, Büroausstattung und Werkzeuge? Was ist mit den teuren Anlagen für die Chipproduktion? Von diesen existieren laut letzter Wasserstandsmeldung von vor weniger als einem Monat schließlich noch drei Viertel, was allein einem Buchwert von mehreren Hundert Millionen Euro entsprechen dürfte.

Werden bestimmte Anlagen nun etwa bewusst beisammen gehalten? Und wenn ja, warum? Und warum wurde eigentlich Ende letzten Jahres eine Firma gegründet, die Patente der Qimonda AG "vermietet"? Die IT Times schreibt dazu: „Sind erst einmal die Patente verkauft, ist es nahezu unmöglich, noch einen Käufer für das gesamte Unternehmen zu finden.“ Nun gut, „gesamtes Unternehmen“ klingt vielleicht etwas zu ambitioniert, doch eine Rettung der Qimonda AG ist auch dank des deutschen Insolvenzrechts noch längst nicht ausgeschlossen. So wurde seinerzeit auch von Seiten der Insolvenzverwaltung bestätigt, dass diesbezüglich bis zum Verkauf der letzten Anlage nichts entschieden sei.

Es ist kein Geheimnis, dass sich die russische Politik für Qimonda interessiert. Erste wenig konkrete Hinweise hierzu tauchten im März letzten Jahres auf. Es folgte Genaueres im April. Im August berichtete schließlich die russische Finanzzeitung Kommersant über entsprechende Gespräche auf höchster politischer Ebene, was kurz darauf sowohl von Bundeskanzlerin Merkel als auch von Russlands Präsident Medwedew mit klaren Signalen bestätigt wurde. Medienberichten zufolge wurde im Anschluss an das Treffen zwischen Merkel und Medwedew das Bundeswirtschaftsministerium eingeschaltet.

Was genau hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, ist bis heute nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Nachrichtenarmut der letzten Wochen und Monate verunsicherte Anteilseigner zusehends. Den scheinbaren K.o.-Schlag für die Aktienzertifikate (ADR) der AG gab es kürzlich mit einem Schreiben der depotführenden Banken, wonach die Qimonda AG beschlossen habe, ihr ADR-Programm per 8. März dieses Jahres zu beenden. Shareholdern wird die Möglichkeit zum Umtausch ihrer ADR-Anteile in Ordinary Shares der Qimonda AG innerhalb eines Jahres eingeräumt.

Klingt zunächst nicht weiter schlimm für die treuen Qimonda-Eigentümer, doch durch die Ankündigung horrender Transaktionsgebühren konnte man in den vergangenen Tagen eine regelrechte Flucht aus dem Wert beobachten. Nachvollziehbar ist das allemal, schließlich dürften die ADRs ab dem 8. März nicht mehr öffentlich handelbar sein und die Ordinary Shares sind es derzeit ebenso wenig. Doch was ist, wenn man sich für den teuren Umtausch entscheidet? Würde man damit vielleicht letztendlich doch alles richtig machen? Gut möglich. Vieles deutet darauf hin, dass Qimonda in stark abgespeckter Form weiter bestehen bleiben wird. Deutschland will es sich nicht leisten, über Jahrzehnte angewachsenes Know-how - damals noch unter der Siemens AG - komplett aus der Hand zu geben. Russland hingegen lechzt nach einer Ausdehnung seiner wirtschaftlichen Strukturen in den Bereich modernster Mikroelektronik.

Spekulation um die Zukunft

Denkbar ist, dass schon seit geraumer Zeit ein konkreter, von verschiedenen Wirtschaftssubjekten ausgearbeiteter Plan für einen Neustart des Konzerns vorliegt und dieser nun Schritt für Schritt verfolgt wird. Hierzu gehört sicherlich auch die Beendigung des ADR-Programms, welches mit hohen Kosten verbunden ist und ohne einen US-Fokus sowieso keinen Sinn macht (American Depository Receipt).

Der Zeitpunkt für einen Investoreneinstieg erscheint günstig: Der Markt zeigt sich gut erholt und wird laut Prognosen die nächsten Jahre wieder wachsen. Unrentable Geschäftseinheiten wurden ebenso verkauft wie überflüssiges Inventar. Zudem dürften sich die Gläubiger mittlerweile mit einer deutlich niedrigeren Insolvenzquote zufrieden geben als noch zu Beginn des Verfahrens. Gut für Kleinanleger: Ein Asset-Deal ist aufgrund der Patentsituation und den Eigentumsverhältnissen eher unwahrscheinlich. Ein Investor könnte sich zumindest 77,5% der AG-Anteile über Infineon sichern, weitere lassen sich in diesen Tagen besonders günstig über die Börse einkaufen.

Kommt alles so, wie es scheint, bleibt die Frage, mit wie viel Profit man als Shareholder rechnen darf. Eine mittels Insolvenzplanverfahren von Altlasten befreite und mit frischem Investorengeld ausgestattete Qimonda AG könnte natürlich Milliarden wert sein. Zum Vergleich: Aktuell besitzt das insolvente Unternehmen einen Börsenwert von gerade mal sechs Millionen Euro. Die mögliche Wertsteigerung erscheint gigantisch, doch ein Totalverlust bleibt selbstverständlich ein Thema.

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