Sarepta-Aktie: Spekulative Chancen

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Gideon Crest

Manche Aktien wirken wie toxisches Terrain – und gerade dann könnten sie besonders spannend sein. Sarepta Therapeutics ist tief gefallen und Analysten sehen sogar den möglichen Totalverlust. Aber wer genauer hinschaut, erkennt inmitten der Krise auch eine seltene Gelegenheit.

Sarepta hat seinen Hauptsitz in Cambridge

Ein dramatischer Absturz

Das laufende Jahr verlief für Sarepta Therapeutics verheerend. Die Aktie hat seit Jahresbeginn über 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Gründe: Medikamentenlieferungen wurden gestoppt, es gab Todesfälle im Zusammenhang mit Studien und nun ermittelt auch noch die US-Arzneimittelbehörde FDA gegen das Vorzeigeprodukt ELEVIDYS. Für viele Investoren war das zu viel – sie haben sich panisch von ihren Anteilen getrennt.

Doch genau in dieser Überreaktion liegt eine Chance. Sarepta wird derzeit zum Buchwert gehandelt – ein historisches Novum. Das Unternehmen war in der Vergangenheit stets mit einem Vielfachen des Buchwerts bewertet. Die aktuelle Lage ist zweifellos angespannt, aber der Markt preist ein Szenario ein, das deutlich pessimistischer ist als die Realität.

Was ist passiert?

Der Kursverfall begann mit Sicherheitsbedenken. Zwei Patienten, die mit ELEVIDYS behandelt wurden, verstarben an leberbezogenen Komplikationen. Später kam der Todesfall eines 51-jährigen Patienten in einer Studie mit dem experimentellen Wirkstoff SRP-9004 hinzu. Und schließlich starb ein achtjähriger Junge in Brasilien nach Gabe von ELEVIDYS – laut Unternehmen jedoch ohne direkten Zusammenhang mit dem Medikament. Die Nachricht wurde am 18. Juni über das offizielle Meldesystem der FDA bekannt, das Ereignis selbst hatte sich bereits am 7. Juni ereignet.

Auf Drängen der FDA wurden Auslieferungen von ELEVIDYS gestoppt. Die Reaktion der Börse fiel heftig aus – einige Analysten sahen den Unternehmenswert sogar bei null. Doch ein wichtiger Aspekt ging in der Panik unter: ELEVIDYS bleibt für gehfähige Patienten weiterhin zugelassen. Zudem steht Sarepta bereits mit der FDA in Kontakt, um das Medikament auch für nicht gehfähige Patienten wieder verfügbar zu machen.

Die Gespräche mit der Behörde laufen. Sarepta hat der FDA einen neuen Behandlungsansatz vorgeschlagen, der die Verwendung von Sirolimus – einem Immunsuppressivum – vorsieht. Unterstützt wird dieser Antrag durch Daten aus Kohorte 8 der ENDEAVOR-Studie. Noch ist unklar, ob die FDA zustimmt, doch der Weg ist geebnet.

Solide Basis trotz Turbulenzen

Trotz aller Rückschläge hat Sarepta im zweiten Quartal einen Umsatz von 513 Millionen US-Dollar erwirtschaftet – davon stammen 282 Millionen aus dem Verkauf von ELEVIDYS. Der Rest entfällt auf die PMO-Produktlinie, die bis mindestens 2027 jährlich rund 900 Millionen Dollar zum Umsatz beitragen soll.

Das Unternehmen verfügt zudem über liquide Mittel und Anlagen in Höhe von 850 Millionen Dollar. Der Börsenwert liegt aktuell kaum darüber – das heißt, der Markt bewertet die Pipeline und das mögliche Comeback von ELEVIDYS mit null. Das ist eine bemerkenswerte Diskrepanz.

Dabei war Sarepta jahrelang ein Unternehmen mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis zwischen sieben und zehn. Heute liegt der Kurs beim reinen Buchwert. Sollte sich die Stimmung normalisieren, wäre eine Kursverdopplung selbst unter konservativen Annahmen realistisch.

Ein echter Neustart

Sarepta hat auf die Krise nicht mit Stillstand reagiert, sondern mit klaren Maßnahmen. Rund 500 Stellen – das entspricht 36 Prozent der Belegschaft – werden abgebaut. Ziel ist es, bis 2026 jährlich mehr als 400 Millionen US-Dollar einzusparen. Bereits bis Ende 2025 sollen 100 Millionen Dollar eingespart werden.

Wichtiger noch: Das Unternehmen richtet seinen Fokus neu aus. Weniger aussichtsreiche Projekte, wie weite Teile der LGMD-Pipeline, werden zurückgestellt. Dafür fließen mehr Ressourcen in das siRNA-Programm – mit Wirkstoffkandidaten wie SRP-1001, SRP-1003 und SRP-1004, die sich gegen Krankheiten mit hohem medizinischem Bedarf richten. Erste Daten sind vielversprechend.

Technische Chancen: Der Short-Squeeze-Faktor

Auch technisch birgt die Aktie interessante Aspekte. Die Leerverkaufsquote liegt inzwischen bei rund 16 Prozent – ein sehr hoher Wert. Bereits ein positiver Studiendatensatz, ein Zwischenschritt in Richtung FDA-Zulassung oder gar ein bloßes Gerücht über die Wiederaufnahme von Auslieferungen könnte zu einem Short-Squeeze führen. Einen Vorgeschmack gab es bereits: Nach Bekanntgabe der Restrukturierung schoss die Aktie im nachbörslichen Handel um 40 Prozent nach oben.

Risiken bleiben bestehen

Natürlich gibt es erhebliche Unsicherheiten. ELEVIDYS trägt nun eine Black-Box-Warnung wegen potenzieller Leberversagen. Das dürfte die Verschreibungszahlen belasten. Die Zulassung für nicht gehfähige Patienten bleibt zudem ausgesetzt, bis neue Sicherheitsdaten vorliegen und die FDA den neuen Behandlungsansatz akzeptiert.

Besonders belastend ist auch der Todesfall im Rahmen der Phase-1-Studie mit SRP-9004, der denselben Vektor wie ELEVIDYS nutzt. Das hat die Skepsis gegenüber dieser Technologie weiter erhöht und stellt auch die geplante Zulassung von SRP-9003 infrage, die eigentlich für die zweite Jahreshälfte 2025 geplant war.

Und selbst die RNAi-Projekte, so vielversprechend sie auch sein mögen, befinden sich erst in der Frühphase. Sollten die ersten Daten Ende 2025 enttäuschen, ruht die gesamte Wachstumsfantasie allein auf einem möglichen Comeback von ELEVIDYS.

Fazit: Große, spekulative Chancen

Sarepta befindet sich in einer Ausnahmesituation – aber nicht in einer ausweglosen. Das Unternehmen verfügt über ausreichend Kapital, erwirtschaftet weiterhin hohe Umsätze und hat mit der Umstrukturierung die Weichen neu gestellt. Der Markt preist derzeit fast nur die Risiken ein – nicht aber das Potenzial.

Natürlich kann es weiter abwärts gehen, sollte ELEVIDYS dauerhaft eingeschränkt bleiben oder die siRNA-Plattform scheitern. Doch wenn auch nur eine dieser Wetten aufgeht – eine erneute FDA-Zulassung, ein erfolgreicher Studiendurchbruch, ein Turnaround bei der Marktstimmung – dann könnte sich die Aktie leicht verdoppeln oder verdreifachen.

Dies ist keine Aktie für ruhige Nächte. Aber für risikobewusste Investoren mit einem langen Atem und dem richtigen Timing bietet sich hier die Chance auf eine außergewöhnliche Rendite. Spekulativ orientierte Anleger können daher kaufen.

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