Oracle: KI-Wachstum trifft auf starke Profitabilität

Bald +100% vom Jahrestief
Gideon Crest

Die Oracle-Aktie läuft seit dem Frühjahr auf Hochtouren und konnte sich von seinem Jahrestief bereits fast verdoppeln. Was steckt hinter dem Anstieg und wie viel Potenzial bleibt noch bestehen?

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Starker Jahresauftakt durch KI-Dynamik

Oracle konnte im bisherigen Jahresverlauf einen bemerkenswerten Kursanstieg verzeichnen. Ausschlaggebend dafür war insbesondere die zunehmende Umsetzung von Projekten im Bereich Künstliche Intelligenz. Mit einem richtungsweisenden Cloud-Computing-Deal kletterte die Aktie auf ein neues Allzeithoch – und katapultierte Oracle in die Spitzengruppe der globalen Cloud-Service-Anbieter. Das Unternehmen profitiert maßgeblich vom Boom rund um KI-Technologien, der die Nachfrage nach leistungsstarken Cloud-Infrastrukturen massiv antreibt.

Oracle bietet nach Ansicht vieler Marktbeobachter eines der umfassendsten Ökosysteme der Branche: mit einer strategisch ausgerichteten Kombination aus SaaS-Angeboten, Datenbanken und Oracle Cloud Infrastructure (OCI), die gezielt auf komplexe KI-Workloads abgestimmt ist. Doch genau diese glänzenden Zukunftsaussichten scheinen inzwischen im Aktienkurs eingepreist. Das Bewertungsniveau – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis – liegt deutlich über dem Branchendurchschnitt, was Zweifel an der nachhaltigen Rechtfertigung dieses Aufschlags weckt.

Profitabilität als unterschätzter Treiber

Trotz der hohen Bewertung zeigt sich Oracle weiterhin als sehr profitables Unternehmen. Das eröffnet Spielraum für eine konträre Investmentthese: Während viele Anleger auf Kursgewinne durch zukünftiges Wachstum setzen, rückt zunehmend die Frage in den Vordergrund, wie viel Ertrag sich aus bereits getätigten Investitionen erzielen lässt. In dieser Hinsicht weist Oracle ein solides Profil auf: Die Margenentwicklung sowie der starke Free Cashflow machen deutlich, dass das Unternehmen aus der KI-Welle auch finanzielle Vorteile zieht.

Ein neuer Fokus im Marktumfeld zeigt sich ebenfalls: Investoren honorieren zunehmend die Profitabilität – nicht nur die Wachstumsfantasie. Die Bewertung von Oracle im Verhältnis zur Ertragskraft (berechnet über Gewinnmargen und Multiplikatoren) signalisiert trotz hoher P/E-Ratios noch ein Aufwärtspotenzial von bis zu 11 Prozent.

Wachstumsperspektiven bleiben intakt – aber mit Fragezeichen

Die breite Einführung von KI-Modellen beschleunigt die Migration in Cloud-Umgebungen massiv. Während der NASDAQ seit Jahresbeginn um 11 Prozent zulegte und Nvidia sogar um 29 Prozent, legte die Oracle-Aktie mit 47 Prozent deutlich überdurchschnittlich zu. Die treibende Kraft: starkes Wachstum im Cloud-Bereich. Im Schlussquartal des Geschäftsjahres stieg der IaaS-Umsatz um 52 Prozent auf drei Milliarden Dollar.

Ein entscheidender Impuls kam jedoch vom angekündigten Mega-Deal über 30 Milliarden Dollar, der ab 2028 greift. Dabei soll Oracle als Teil des sogenannten Stargate-Projekts rund 4,5 Gigawatt an Rechenzentrumsleistung bereitstellen – in enger Kooperation mit OpenAI. Damit rückt das Unternehmen in die erste Liga der Hyperscaler auf, mit einer erwarteten Umsatzrate im Cloud-Infrastrukturgeschäft von 42 Milliarden Dollar jährlich. Zum Vergleich: Amazon Web Services erzielt rund 117 Milliarden, Microsoft Azure etwa 107 Milliarden und Google Cloud 49 Milliarden Dollar pro Jahr.

Dieser strategische Schritt würde den Anteil der Cloud-Dienste am Gesamtumsatz auf bis zu 65 Prozent erhöhen – und könnte die operative Marge um weitere fünf Prozent steigern. Das würde Oracle im Bereich Profitabilität sogar über Alphabet positionieren.

Datacenter-Investitionen als Schlüssel zur Zukunft

Oracle plant für das Geschäftsjahr 2026 Investitionen von über 25 Milliarden Dollar in Rechenzentren, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Die Auftragsbestände kletterten auf 138 Milliarden Dollar, wobei Oracle im kommenden Jahr nur rund ein Drittel davon bedienen kann. Erste KI-Workloads in Stargate-I sind bereits gestartet, was die operative Umsetzung des Großprojekts unterstreicht.

Die weltweiten Ausgaben für Rechenzentrumsinfrastruktur sollen sich 2025 um über 42 Prozent auf 475 Milliarden Dollar erhöhen – ein deutlicher Hinweis auf den globalen Bedarf. Obwohl Oracle aktuell noch einen geringeren Marktanteil im Cloud-Bereich aufweist, positioniert sich das Unternehmen strategisch günstig: durch enge Kooperationen mit Nvidia und einen signifikanten Anteil an deren GPUs, vergleichbar mit Amazon und Alphabet.

Oracle als vollständiger Cloud-KI-Anbieter

Im Gegensatz zu anderen Hyperscalern setzt Oracle auf eine eigene Kombination aus Infrastruktur, Datenbank und Unternehmenssoftware. Die SaaS-Umsätze im Backoffice-Bereich stiegen zuletzt um 20 Prozent auf einen Jahresumsatz von 9,3 Milliarden Dollar. Auch die Cloud-Anwendungen sollen künftig mit rund 19 Prozent jährlich wachsen, getrieben durch neue KI-Anwendungsfälle und die steigende Nachfrage nach hybriden Cloud-Lösungen. Prognosen zufolge werden bis 2027 rund 90 Prozent aller Unternehmen auf hybride Cloud-Modelle setzen – was dem Oracle-Portfolio weiteren Rückenwind verschaffen dürfte.

Mit der Verbindung aus KI-optimierter Datenbank, OCI und strategischer SaaS-Software positioniert sich Oracle an einer Schlüsselstelle des aktuellen Technologiewandels.

Bewertung: Noch Potenzial trotz hoher Erwartungen

Die Oracle-Aktie ist aktuell mit dem 36-fachen des Gewinns bewertet – ein klarer Bewertungsaufschlag im Vergleich zur Peer-Gruppe. Auf Basis des erwarteten langfristigen Wachstums (13 Prozent jährlich) reduziert sich die Überbewertung jedoch auf rund 8 Prozent. Der Markt scheint inzwischen weniger bereit, hohes Wachstum mit hohen Bewertungen zu honorieren – möglicherweise, weil KI-bedingtes Wachstum bereits als „normal“ wahrgenommen wird.

Spannender wird daher der Blick auf die Profitabilität: Oracle erreicht eine Nettomarge von 22 Prozent – nur Microsoft und Alphabet liegen hier darüber. Bei Bewertung über die Ertragskraft ergibt sich ein impliziter Abschlag von rund 11 Prozent gegenüber der Peer-Group. Dieser Aspekt unterstützt die These, dass Oracle trotz des Kursanstiegs unterbewertet sein könnte – wenn man den Fokus auf nachhaltige Gewinne legt.

Fazit: Oracle bleibt ein Kauf – aus der Perspektive der Rentabilität

Oracle hat sich als ernstzunehmender Player im KI-getriebenen Cloud-Markt etabliert. Das Unternehmen bietet eine vollständige Lösung aus Infrastruktur, Datenbank und Anwendung – alles ausgerichtet auf die besonderen Anforderungen von KI-Workloads. Dabei überzeugt vor allem die operative Ertragskraft. Während das Wachstum bereits weitgehend eingepreist scheint, zeigt die Analyse der Profitabilität, dass noch Potenzial vorhanden ist.

Ein Kursziel von 275 US-Dollar erscheint angesichts der Zahlen realistisch. Wer also eine alternative Sichtweise auf den KI-Markt sucht, könnte Oracle als attraktiven Kandidaten für eine Contrarian-Strategie betrachten.

Risiken im Blick behalten

Die hohen Investitionen in Rechenzentren erhöhen die Kapitalbindung – was mittelfristig den freien Cashflow beeinträchtigen und zu einer steigenden Verschuldung führen könnte. Diese liegt bereits über dem Branchendurchschnitt. Zudem bleiben geopolitische Unsicherheiten bestehen: Die Entwicklung von KI-Projekten in Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren könnte durch politische Spannungen – insbesondere zwischen den USA und China – beeinträchtigt werden.

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