Nvidia-Aktie: Absturzgefahr nach Zahlen!
Nvidia bleibt nach einer beeindruckenden Kursrallye eines der meistdiskutierten Schwergewichte an der Börse. Die Aktie hat seit Jahresbeginn kräftig zugelegt – doch nun mehren sich Zweifel, ob der Höhenflug noch mit den Fundamentaldaten Schritt halten kann.
Nvidias Höhenflug und der wachsende Zweifel
Die Aktie des kalifornischen GPU-Spezialisten Nvidia konnte seit Ende März zwischenzeitlich rund 130 % gewonnen. Der dieses Jahr erstmals zum wertvollsten Unternehmen der Welt gereifte Tech-Konzern gilt seit langem als Herzstück des weltweiten KI-Booms und hat sich eine schwer einholbare Marktstellung aufgebaut, sehr zum Ärger von Rivalen wie AMD. Doch während Nvidia weiter als treibende Kraft der Branche auftritt, zeichnet sich zunehmend ab, dass die jahrelange Rally an ihre Grenzen stößt und die Gefahr einer Überhitzung real wird.
Der aktuelle Markt deutet weniger auf den Beginn einer neuen Ära hin, sondern vielmehr auf einen Wendepunkt. Die Zukunft von KI selbst steht nicht zur Debatte, wohl aber die Frage, ob Anleger zu viel zu früh in Nvidia hineinfantasiert haben. Frühere Sorgen über Wettbewerbsrisiken oder Großkundenbeziehungen waren bereits präsent – nun tritt ein neuer, möglicherweise entscheidender Faktor hinzu: die Energieversorgung.
Die Energieversorgung als unerwartete Wachstumsbremse
Die US-Stromnetze stehen unter enormem Druck. Während Energieversorger zwar neue Vereinbarungen mit Hyperscalern schließen, mangelt es nicht an Erzeugungskapazitäten, sondern an den veralteten Stromtrassen, die die benötigten Gigawatt zu den Rechenzentren transportieren sollen. Nationale Leitungen sind vielerorts technisch überholt, bürokratisch blockiert und politisch umstritten.
In Santa Clara, dem Heimatort von Nvidia, warten fertig gebaute Rechenzentren seit Jahren auf ihren Anschluss ans Netz. Die Modernisierung zieht sich angesichts langwieriger Genehmigungsverfahren durch die gesamte USA – und die Folgen sind gravierend. Hyperscaler finanzieren ihre Infrastruktur zunehmend auf Kredit und zahlen Zinsen vom ersten Tag an. Wenn Rechenzentren jedoch zwei Jahre oder länger auf Strom warten, rechnet sich die Investition nicht mehr. Dann wird auch die Nachfrage nach GPUs gedrosselt – ein direkter Einschnitt für Nvidia.
Politischer Widerstand verschärft das Problem zusätzlich. Viele Bundesstaaten sowie lokale Behörden bremsen neue Rechenzentren oder Leitungsprojekte aus. Selbst fertig geplante Rechenzentren stoßen auf massiven Widerstand der Bevölkerung, die Eingriffe in lokale Strukturen fürchtet.
Ausblick auf die kommenden Quartalszahlen
Nvidia wird diesen Mittwoch nach Börsenschluss die Ergebnisse für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2026 vorlegen. Während sich die Aufmerksamkeit traditionell auf Umsatz und Gewinnzahlen richtet, dürfte dieses Mal der Ausblick entscheidend sein. Aussagen zum Auftragsbestand und zur weiteren Entwicklung der GPU-Nachfrage könnten schwerer wiegen als die reinen Quartalszahlen.
Analystenschätzungen gehen derzeit von einem Gewinn je Aktie von 1,25 US-Dollar aus, was einem Plus von fast 55 % gegenüber dem Vorjahr entspräche. Beim Umsatz rechnen Experten im Schnitt mit knapp 55 Mrd. US-Dollar, im besten Fall mit rund 60 Mrd. US-Dollar. Mittelfristig traut der Markt Nvidia zu, die Quartalsumsätze bis Ende des Jahrzehnts in Richtung 100 Mrd. US-Dollar zu steigern. Diese Wachstumsprojektionen wirken angesichts der strukturellen Engpässe des US-Stromnetzes zunehmend unrealistisch.
Ein Bewertungsniveau auf wackligem Fundament
Ein Großteil der KI-Euphorie scheint bereits in der aktuellen Bewertung eingepreist. Nvidia erhält im Bewertungsmodell von Seeking Alpha nur ein „F“, der Ausblick gilt als stark überhitzt. Das Forward-KGV liegt bei 41,8 und damit gut 77 % über dem Branchendurchschnitt. Beim Verhältnis von Unternehmenswert zu Umsatz beträgt der Aufschlag sogar rund 540 %.
Diese Bewertungen setzen fortlaufendes, rasant steigendes Wachstum voraus – ein Szenario, das immer schwerer haltbar erscheint. Sollte Nvidia auch nur leicht hinter den Erwartungen zurückbleiben, droht der Markt scharf zu reagieren. Ein Rückgang der Aktie um 30 bis 40 % wäre nötig, um die Bewertung wieder in die Nähe der Branchennormen zu bringen.
Was die optimistische Seite erwartet
Befürworter der Aktie setzen darauf, dass die Probleme im Stromnetz durch politische Unterstützung und beschleunigte Genehmigungsverfahren gelöst werden. Die US-Regierung erhöht den Druck, Planung und Ausbau deutlich zu beschleunigen. Auch große Investmenthäuser bleiben optimistisch: Oppenheimer hob das Kursziel jüngst auf 265 US-Dollar an und sieht Nvidia weiter als führenden Profiteur des KI-Zeitalters.
Doch diese Vision kollidiert mit der Realität lokaler Widerstände. In vielen Regionen verhindern Bürgerinitiativen und Lokalpolitiker neue Leitungsprojekte – ein wiederkehrendes Muster, das in der US-Infrastrukturgeschichte tief verankert ist. Gerade für Energie- und Netzprojekte spielt der „Not In My Backyard“-Effekt eine dominante Rolle. Für Nvidia könnte dies zu einem entscheidenden Risiko werden.
Fazit: Großartige Technologie, fragwürdige Bewertung
Unabhängig von den beeindruckenden Leistungen der vergangenen Jahre steht Nvidia an einem kritischen Punkt. Die Aktie spiegelt bereits enorme Erwartungen an künftige KI-Investitionen wider, doch die strukturellen Hürden beim Netzausbau könnten den Bedarf an GPUs ausbremsen. Die hohen Multiplikatoren wirken angesichts dieser Risiken immer weniger gerechtfertigt.
Die KI-Revolution stößt dabei ausgerechnet auf eine ihrer eigenen Grenzen: den gleichzeitigen, explosionsartigen Bedarf an Energie. Ohne rasch modernisierte Netze bleiben Rechenzentren ungenutzt – und die Absatzchancen für Nvidia sinken. Exponentielles Wachstum erscheint unter diesen Umständen kaum erreichbar.
Hervorragende Produkte bedeuten nicht automatisch hervorragende Anlagemöglichkeiten. Im Fall von Nvidia überwiegen derzeit die Risiken. Wir würden die Aktie angesichts nun insbesondere vor den Zahlen meiden.
ℹ️ Nvidia in Kürze
- Die Nvidia Corporation (WKN: 918422) ist einer der weltweit größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen.
- Die Chips und Prozessoren des Konzerns kommen in Personal Computern, Spielekonsolen, Rechenzentren und autonom fahrenden Autos zum Einsatz.
- Das in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien beheimatete Unternehmen ist Marktführer im Bereich Hochleistungschips für Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz.
- Nvidia ist Mitglied in den US-Indizes Nasdaq 100, S&P 500 und Dow Jones und wird aktuell mit rund 4,4 Billionen US$ bewertet.