Disc Medicine: Auf dem Weg zum Biotech-Star?

Bitopertin vor Zulassung
Redaktion

Selten gelingt es einem Biotechnologieunternehmen, innerhalb kurzer Zeit entscheidende regulatorische Meilensteine zu erreichen. Disc Medicine steht mit seinem Wirkstoff Bitopertin kurz davor, eine neue Ära in der Behandlung seltener Stoffwechselerkrankungen einzuleiten.

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Beschleunigter Zulassungsprozess für Bitopertin

Disc Medicine hat bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA einen Zulassungsantrag (New Drug Application, NDA) für Bitopertin eingereicht. Der Wirkstoff soll Patienten ab zwölf Jahren mit erythropoetischer Protoporphyrie (EPP) und X-chromosomaler Protoporphyrie (XLP) helfen. Die Einreichung erfolgte über das beschleunigte Zulassungsverfahren (Accelerated Approval Pathway), gestützt auf positive Daten aus den klinischen Studien BEACON und AURORA sowie ergänzende Erkenntnisse aus der offenen HELIOS-Studie.

Diese Daten überzeugten die Behörde davon, dass Bitopertin über eine signifikante Senkung des Protoporphyrin IX (PPIX)-Spiegels hinaus auch die Lebensqualität der Betroffenen verbessern kann. Besonders bemerkenswert ist, dass das Unternehmen zugleich eine vorrangige Prüfung (Priority Review) anstrebt, die den Bewertungszeitraum von zwölf auf nur sechs Monate verkürzen könnte.

Seltene Erkrankungen mit großem Leidensdruck

EPP und XLP sind seltene Stoffwechselstörungen, die sich durch schmerzhafte, nicht-blasenbildende Lichtempfindlichkeit der Haut auszeichnen. Ursache ist eine Störung der Hämbiosynthese, also des Prozesses, bei dem der Blutfarbstoff Häm gebildet wird. Durch genetische Mutationen kommt es zu einem Enzymdefekt, der die Bildung toxischer PPIX-Moleküle verursacht. Diese Substanz sammelt sich in der Haut an und löst bei Lichteinwirkung starke Schmerzen aus.

Betroffene leiden nicht nur unter extrem eingeschränkter Sonnenexposition, sondern häufig auch unter Leberproblemen wie Gallensteinen oder Leberschäden. Bitopertin, ein sogenannter Glycintransporter-1-Hemmer, soll den Glykineintritt in rote Blutkörperchen verringern und damit die Bildung toxischer PPIX-Moleküle hemmen – ein völlig neuer Therapieansatz.

Klinische Studien mit überzeugenden Ergebnissen

Um die Wirksamkeit des neuen Wirkstoffs zu belegen, führte Disc Medicine mehrere klinische Studien durch. Besonders in der Phase-2-Studie AURORA wurden vielversprechende Resultate erzielt. 75 Patienten erhielten entweder 20 mg oder 60 mg Bitopertin oder ein Placebo. Die Gruppe mit der höheren Dosis zeigte eine durchschnittliche Reduktion des PPIX-Spiegels um 40 Prozent im Vergleich zum Ausgangswert.

Diese biochemischen Verbesserungen spiegelten sich auch klinisch wider: 86 Prozent der Patienten berichteten von einer deutlichen Verbesserung ihres Krankheitszustands. Zusammen mit den Ergebnissen aus den BEACON- und HELIOS-Studien bildeten diese Daten die Grundlage für den aktuellen Zulassungsantrag.

Nationale Prioritätsauszeichnung als zusätzlicher Schub

Nur wenige Tage nach der Einreichung erhielt Disc Medicine eine außergewöhnliche Anerkennung: die Commissioner’s National Priority Review Voucher (CNPV). Diese Auszeichnung wurde seit Einführung des Programms im Juni 2025 lediglich an neun Unternehmen vergeben.

Sie ermöglicht eine noch schnellere Bearbeitung durch die FDA – in manchen Fällen in nur ein bis zwei Monaten – sowie eine bevorzugte Kommunikation mit der Behörde. Für Disc Medicine bedeutet dies eine erhebliche Verkürzung des Weges zur möglichen Marktzulassung von Bitopertin.

Stabile Finanzlage und neue Kapitalerhöhung

Laut dem jüngsten Quartalsbericht verfügte Disc Medicine zum 30. Juni 2025 über liquide Mittel in Höhe von 650 Millionen US-Dollar. Dieses starke Finanzpolster resultiert aus einer Kapitalerhöhung im Januar 2025, bei der das Unternehmen rund 243 Millionen US-Dollar einnahm.

Der aktuelle Mittelverbrauch liegt bei rund 61,4 Millionen US-Dollar pro Quartal, wovon 46,3 Millionen in Forschung und Entwicklung und 15,1 Millionen in Verwaltungsausgaben fließen. Selbst ohne Einnahmen aus einer möglichen Zulassung rechnete das Unternehmen zuletzt damit, die laufenden Kosten bis mindestens 2028 decken zu können – ein klares Signal finanzieller Stabilität.

Heute kündigte das Unternehmen eine weitere, überzeichnete Kapitalerhöhung über 250 Millionen US-Dollar an, im Rahmen derer neue Aktien zu je 84,00 US-Dollar platziert werden. Damit ist das Unternehmen für die nächsten Jahre endgültig frei von finanziellen Sorgen.

Potenzielle Risiken und Herausforderungen

Trotz der positiven Entwicklung bestehen einige Risiken. Noch steht die Entscheidung der FDA über die Annahme des Zulassungsantrags und die Gewährung der beschleunigten Prüfverfahren aus. Ebenso hängt der Nutzen der CNPV-Auszeichnung davon ab, dass sämtliche erforderlichen Unterlagen vollständig und fehlerfrei eingereicht werden.

Zudem arbeitet das Unternehmen an weiteren Programmen wie dem Antikörper DISC-0974 zur Behandlung von Anämien bei Myelofibrose und chronischer Nierenerkrankung. Ob diese Projekte ähnliche Erfolge erzielen, bleibt abzuwarten.

Fazit: Starkes Potenzial mit regulatorischem Rückenwind

Disc Medicine hat mit Bitopertin einen vielversprechenden Kandidaten für die Behandlung von EPP und XLP entwickelt. Die deutliche Senkung der toxischen PPIX-Werte und die Verbesserung der Lebensqualität belegen das therapeutische Potenzial.

Mit der eingereichten NDA, dem beschleunigten Prüfverfahren und der selten vergebenen CNPV-Auszeichnung steht das Unternehmen kurz davor, einen bedeutenden Meilenstein zu erreichen. Angesichts der starken Datenlage und der soliden Finanzposition ist eine Kaufempfehlung gerechtfertigt.

Die jüngste Kapitalerhöhung könnte die starke Kursperformance der letzten Wochen zunächst etwas bremsen, sollte dann aber wiederum als robuste Basis für eine weitere Rallye fungieren.

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