Bumble: Eine lohnenswerte Spekulation?
Die Aktie des Dating-App-Anbieters Bumble hat zu kämpfen. Trotz zahlreicher Herausforderungen deuten fundamentale Kennzahlen aber auf eine erhebliche Unterbewertung hin – was für spekulativ orientierte Anleger eine spannende Einstiegschance darstellen könnte.
Bumble wird derzeit mit einem Unternehmenswert/EBITDA-Multiple von etwa 5 sowie einem Kurs/Free Cashflow-Verhältnis von rund 4 gehandelt – beides deutet auf eine starke Unterbewertung hin. Die Bilanz ist zudem vergleichsweise solide. Dennoch sehen viele Investoren die negative Bewertung als gerechtfertigt an. Der Grund: Bumble verliert Nutzer und eine Stabilisierung scheint nicht in Sicht.
Führungswechsel bringt strategische Neuausrichtung
Im März 2025 kehrte Gründerin Whitney Wolfe Herd als CEO zurück. Ihr Fokus liegt klar auf Produktqualität und Profitabilität. Um dies zu erreichen, durchläuft Bumble derzeit eine umfassende strategische Neuausrichtung. Ziel ist es, das Unternehmen langfristig wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
Ein herausforderndes Marktumfeld für Dating-Apps
Die Branche steht unter Druck. Nutzer suchen zunehmend nach authentischeren Begegnungen – "Swipe Fatigue" und Enttäuschungen über oberflächliche Matches nehmen zu. Kritiken in App Stores und auf Trustpilot bestätigen diese Entwicklung. Beschwerden über Fake-Profile, Ghosting, undurchsichtige Algorithmen und aggressive Monetarisierung mehren sich.
Trotzdem ist Online-Dating weiterhin die bedeutendste Quelle für erste Dates, wie unter anderem die Präsentation des Match-Konzerns zeigt. Die Zahl der globalen Nutzer liegt zwischen 360 und 380 Millionen, mit einem prognostizierten Wachstum von 2 bis 8 % jährlich. Match Group bleibt Marktführer, während Bumble mit den Apps Bumble, BFF und Badoo auf Platz zwei liegt. Grindr hingegen besetzt erfolgreich eine Nische im LGBTQ+-Segment.
Bumble orientiert sich neu: Qualität statt Quantität
Die Rückkehr von Whitney Wolfe Herd führte zu einem klaren Strategiewechsel. Das Unternehmen strich über 100 Millionen US-Dollar an Kosten – vor allem durch Personalabbau und eine Neuausrichtung im Marketing. Innerhalb eines Quartals sank der Marketingaufwand von 24,2 % auf 12,9 % des Umsatzes. Das Ergebnis: eine Rekord-EBITDA-Marge von 38,1 %.
Der Fokus liegt jetzt auf Nutzerqualität. Mithilfe des sogenannten „Beehive Fit Framework“ werden Nutzer in drei Gruppen eingeteilt: „Approved“, „Improve“ und „Remove“. Ziel ist es, nur solche Nutzer zu behalten, die echtes Interesse und gut ausgefüllte Profile haben. Nutzer mit minderwertigen oder gefälschten Profilen werden konsequent entfernt. Diese Bereinigung führt kurzfristig zu einem Rückgang der zahlenden Nutzer, soll langfristig jedoch Vertrauen, Engagement und organisches Wachstum fördern.
Frühindikatoren zeigen erste Erfolge
Trotz der Rückgänge in der Nutzerzahl zeigen sich positive Signale. Retention und organische Neuanmeldungen steigen. Im zweiten Quartal 2025 sank die Zahl der zahlenden Nutzer um 7,7 %, jedoch stieg der durchschnittliche Umsatz pro zahlendem Nutzer (ARPPU) um 8,1 %, was zu stabilen Umsätzen im Quartalsvergleich führte. Bei Badoo sind die Rückgänge geringer; hier ist die Nutzerbasis stabiler.
Ein weiterer strategischer Schritt: Bumble verzichtete auf rabattierte Abo-Modelle in weniger profitablen Märkten. Der Fokus liegt nun auf Kernmärkten mit höherer Zahlungsbereitschaft. Der Anteil an Vollpreis-Abonnements stieg von 70 % auf 80 %. Zukünftiges Umsatzwachstum wird deshalb stark von der Produktqualität abhängen.
Innovation durch KI und Sicherheitsfeatures
Bumble plant Investitionen in KI-gestützte Personalisierung, ein neues Cloud-System, Dating-Coaching und verbesserte Verifizierungsfunktionen. Ziel ist es, sowohl das Nutzererlebnis als auch die operative Effizienz zu verbessern.
Trotz dieser Maßnahmen rechnen Analysten für 2026 mit einem Umsatzrückgang von 6 %. Die kommenden Quartale werden entscheidend sein, um die Wirksamkeit der Strategie zu bewerten.
Margen auf dem Weg nach oben
Trotz der zu erwartenden Rückkehr höherer Marketingkosten geht das Management von nachhaltig verbesserten Margen aus. Für Q3 2025 liegt die Prognose für das bereinigte EBITDA bei 79 bis 84 Mio. US-Dollar – eine Marge von etwa 33 %. Zum Vergleich: In den Jahren 2022 bis 2024 lag die EBITDA-Marge bei 25,1 %, 26,2 % und 28,4 %.
Ein zusätzlicher Hebel: Bumble testet Direktabrechnungen für iOS-Nutzer, was den App-Store-Gebühren von Apple und Google entgegenwirkt. Bis zu 30 % der Nutzer haben sich in ersten Tests dafür entschieden – ein potenzieller Margengewinn von 2 bis 3 Prozentpunkten.
Starke Free-Cashflow-Generierung
2025 könnte ein Rekordjahr für den Free Cashflow werden. Die Schätzungen belaufen sich auf rund 202,5 Mio. US-Dollar bzw. 2,00 US-Dollar je Aktie (nicht verwässert). Der Cashflow wird unter anderem für Schuldentilgung (50 Mio. US-Dollar im zweiten Halbjahr) und Aktienrückkäufe eingesetzt. Mit dem aktuellen Aktienkurs von etwa 5,50 US-Dollar könnten rund 6 % der ausstehenden Aktien zurückgekauft werden.
Trotz struktureller Vorteile bei MTCH – wie geringere Steuersätze und bessere FCF-Konvertierung – konnte Bumble seine Konversionsrate zuletzt deutlich steigern: auf über 70 % im zweiten Quartal 2025.
Deutliche Unterbewertung gegenüber Wettbewerbern
Im Vergleich zu Match Group (EV/EBITDA 8,8x) und Grindr (13,8x) erscheint Bumble mit einem Multiple von 4,4x geradezu günstig. Auch das Kurs/Free Cashflow-Verhältnis liegt bei nur etwa 4,4x (verwässert), deutlich unter den Wettbewerbern.
Allerdings hat Bumble auch mit strukturellen Problemen zu kämpfen: schwächere Margen, stagnierende ARPPU-Entwicklung und eine unklare Markenpositionierung. Während Grindr eine klare Zielgruppe bedient und Match Group durch Hinge kompensiert, fehlt Bumble derzeit ein differenzierendes Merkmal, das Nutzer dauerhaft bindet.
Auch Badoo, das 19 % des Umsatzes generiert, wirkt strategisch isoliert. Eine Veräußerung ist nicht ausgeschlossen, wenngleich aktuell auch nicht notwendig.
Bewertungsszenarien: Viel Potenzial, aber Risiken bleiben
Ein Bewertungsmodell unterstellt drei Szenarien:
- Bull Case: Umsatzwachstum ab 2027, Margen- und FCF-Verbesserung, Zielkurs: 11,55 US-Dollar
- Base Case: Stabilisierung 2026, konservative Margen, Zielkurs: 6,74 US-Dollar
- Bear Case: Weitere Rückgänge, Zielkurs: 2,91 US-Dollar
Diese Berechnungen basieren auf vorsichtigen Annahmen. Aktienrückkäufe und die Tatsache, dass nicht alle Einheiten der Gründer und Altaktionäre (im „Up-C“-Strukturmodell) zeitnah in Class-A-Aktien umgewandelt werden, wurden nicht berücksichtigt.
Risiken und Unsicherheiten
Der Wandel hin zu mehr realen, authentischen Begegnungen stellt Online-Dating grundsätzlich in Frage. Bumble verliert hier an Relevanz, da das ursprüngliche Alleinstellungsmerkmal – Frauen machen den ersten Schritt – an Bedeutung verloren hat.
Zudem mangelt es an Markentreue. Die Wechselkosten zwischen Dating-Apps sind gering. Bumble hat mit nur drei Apps ein begrenztes Portfolio und kann daher kaum Synergien wie Match Group erzielen. Der zunehmende Einsatz von KI erhöht zudem Datenschutz- und Sicherheitsrisiken.
Ein weiteres Problem ist mangelnde Transparenz in der Berichterstattung. Konkrete Daten, etwa zur Entwicklung von BFF, fehlen, was Investoren eine fundierte Bewertung erschwert.
Fazit: Spekulativer Kauf mit Chancenpotenzial
Bumble kämpft derzeit mit fundamentalen Herausforderungen, doch die Bewertung spiegelt diese bereits weitgehend wider. Sollte es dem Unternehmen gelingen, Marke und Nutzererlebnis nachhaltig zu stärken, dürfte sich das auch in verbesserten Kennzahlen niederschlagen.
Für risikobereite Investoren eröffnet sich hier eine asymmetrische Chance mit begrenztem Abwärtspotenzial. Wer mehr Sicherheit bevorzugt, kann die nächsten Quartalszahlen abwarten und bei bestätigter Trendwende einsteigen – wenn auch zu einem etwas höheren Kursniveau.
Insgesamt rechtfertigt die günstige Bewertung bei gleichzeitigem Turnaround-Potenzial ein vorsichtiges Kaufrating.