Alphabet: Bleibt die Aktie Pflicht im Depot?

Tech-Riese unter der Lupe
Gideon Crest

Immer noch ist Alphabet eine Vorzeige-Wachstumsstory im Tech-Sektor. Die Aktie marschiert wieder in Richtung Allzeithochs. Warum es sich lohnen könnte, das Papier langfristig zu halten.

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Charlie Munger, der berühmte langjährige Weggefährte von Warren Buffett, formulierte es eindrucksvoll: Er habe selten eine so breite „Graben“-Strategie wie bei Google erlebt, die so zuverlässig sei, als sei sie von Haien umgeben.

Die Marke Google ist mittlerweile so mit der Onlinesuche verknüpft, dass das Wort „googeln“ zum Verb geworden ist, ähnlich wie „Uber“ für Ride-Sharing. Im Folgenden werde ich sowohl Alphabet als auch Google synonym verwenden.

Daten-Imperium mit globaler Reichweite

Google ist schwer vorstellbar ohne die zentralen Dienste, die unseren Alltag bestimmen – etwa Wettervorhersagen, Navigation über Maps, Zug­fahrplanauskünfte, Rezeptsuche oder Videoanleitungen zur Autoreparatur. Kein anderes Unternehmen sitzt auf vergleichbaren Daten­schätzen. Laut SimilarWeb ist Google die meistbesuchte Website weltweit, mit rund 92 % Anteil am globalen Suchmaschinenmarkt.

YouTube rangiert als zweitgrößte Suchmaschine mit 2,7 Milliarden Nutzern. Google Maps bietet eine Satelliten­bild­datenbank von etwa 21 Petabyte – das entspricht dem Inhalt von 330 000 Smartphones mit 64 GB Speicher. Zudem nutzen über 1,8 Milliarden Menschen Gmail, was es zur größten E-Mail-Plattform der Welt macht.

Diese Dienste sind kostenlos zugänglich, doch sie erzeugen enorme Werbeeinnahmen. Schon ein einfacher Klick auf eine Anzeige sowohl in der Suche als auch auf YouTube – beispielsweise vor oder während eines Videos – bringt Google Einnahmen. Auch mit AdSense, bei dem Google eine Umsatzbeteiligung bei Anzeige­schaltungen einnimmt, bleibt das Werbegeschäft weiterhin ein bedeutender Erlös­bringer, auch wenn dieses Segment zuletzt ein eher stagnierendes Wachstum zeigte.

Darüber hinaus erzielt Google regelmäßige Einnahmen durch Workspace-Abonnements. Während Privatnutzer in der Regel nur begrenzten Speicher benötigen und oft auf Werbung setzen, zahlen Unternehmen gerne für erweiterte Cloud-Funktionen und Sicherheitsdienste. Diese Abonnements liegen je nach Tarif bei 6 bis 18 US-Dollar pro Nutzer und Monat. Schon ab zwei Dollar monatlich kann ein Privatkunde zusätzlichen Cloud-Speicher buchen, was zur langfristigen Kundensicherung beiträgt.

Google Maps wiederum monetarisiert über API-Lizenzierungen und Plattform-Integrationen. Unternehmen zahlen dafür, auf der Karte prominent angezeigt zu werden oder Geodaten für Navigation, Verkehrsplanung oder Umweltmonitoring zu nutzen – praktisch überall dort, wo präzise Standortdaten gebraucht werden.

Ein neuer Hoffnungsträger ist Gemini – Googles KI-Engine, die intelligente Vorschläge in Suche, Mail und Docs ermöglichen und künftig auch zielgenauere Werbung und effizientere Arbeitsprozesse ermöglichen soll.

All diese Dienste bilden ein Ökosystem, dessen wirtschaftliche Widerstandskraft und Preissetzungsmacht enorm sind. Jeder Bereich wirkt wie ein Puzzleteil, das das Gesamtbild stärkt.

Warum die Google-Aktie noch immer Potenzial hat

Im frühen Leben des Unternehmens entfiel über 95 % des Umsatzes auf die Suche. Heute sind es noch rund 57 %, aber dank starker Zuwächse in Cloud, YouTube, Werbung, Abonnements und Hardware wächst Alphabet insgesamt weiter kräftig.

Allerdings ist der Markt sehr auf die Suche fokussiert. Zwar ist das Such-Umsatzwachstum im Jahresvergleich stabil, doch im Vergleich zum Beginn von KI-gestützter Konkurrenz – ChatGPT und Perplexity – ist Google seit Anfang 2024 Marktanteile verloren. Laut einer Schätzung von Wells Fargo belaufen sich die Verluste auf rund sechs Prozent. Im Suchmarkt mit einem jährlichen Umsatz von über 200 Milliarden US-Dollar entspricht dies einem Verlust von rund zwei Milliarden Dollar pro Prozent Marktanteil.

Google begegnet dieser Herausforderung mit künstlicher Intelligenz direkt in ihren Ergebnissen. KI-basierte Suchübersichten werden zunehmend zur Norm, verdrängen aber traditionelle Anzeigenplätze. Um dem entgegenzuwirken, plant Google nun, Werbung direkt in diesen KI-Antworten zu integrieren und den Fokus bei den Werbekunden von Klicks auf erfolgreiche Conversion zu legen. Gleichzeitig wird die Werbedichte auf Shopping, Reisen oder Maps erhöht, was bereits zu höheren Kosten-pro-Klick führt. Tatsächlich sind die durchschnittlichen Klickkosten im Google-Werbenetzwerk 2024 um etwa 13 % gestiegen.

Gleichzeitig wächst der globale Suchwerbemarkt mit sieben bis acht Prozent pro Jahr, gestützt durch mobiles Wachstum in Schwellenländern wie Indien, Südostasien, Afrika und Lateinamerika. Immer mehr Nutzer greifen mobil auf das Internet zu, schalten Werbung vor allem hier und fordern konkrete Ortsdienste, was die Monetarisierung über Maps und lokale Suche begünstigt. Auch Sprachsuche mit Google Assistant auf über einer Milliarde Geräten trägt durch Empfehlungen (Restaurants, Dienstleister etc.) zur wachsenden Werbeumsatzquelle bei.

Im KI-Wettlauf vertraut Microsoft auf OpenAI, Amazon wiederum auf Perplexity. Google setzt hingegen auf hausinterne Entwicklung – vor allem mit Gemini. Auch wenn Apples und Amazons KI-Strategien sich eher auf Nutzererfahrungen und personifizierte Empfehlungssysteme konzentrieren, sieht Google seine Stärke in der direkten Integration von KI in zentrale Dienste.

YouTube: Die unterschätzte Milliardenmaschine

Hätte YouTube einen eigenen Börsengang, wäre es wohl eine der größten Medienfirmen – fast auf Augenhöhe mit Netflix oder Disney. Mit YouTube TV hat Google bereits klassische Kabelangebote plus Livesport im Paket, und YouTube Premium bietet ein werbefreies Erlebnis für rund 14 Dollar monatlich. Die kostenlose Version bleibt als starkes Werbeträger-Netz bestehen, wobei Google Anteile mit Content Creators teilt.

Mit über 114 Millionen aktiven YouTube-Kanälen, 2,7 Milliarden Nutzern und mehr als 500 Stunden neuem Content pro Minute ist das Wachstum ungebrochen. Auch YouTube Music wächst stark: rund 100 Millionen Nutzer stehen hierbei 600 Millionen bei Spotify gegenüber. Dank der Plattform werden Creators quasi automatisch zu Werbebotschaftern, wodurch Google seine Marketingkosten hält.

In schwächeren Wirtschaftslagen neigen Unternehmen dazu, Werbung zu kürzen – das trifft sowohl Search als auch YouTube. Daher stärkt Google die Abonnementseite weiter, mit inzwischen 125 Millionen Premium-Nutzern, was einem Jahresumsatz von etwa 17 Milliarden Dollar entspricht.

Google Cloud, Waymo & Co.

Googles Cloud-Sparte wächst mit beeindruckenden 30 % pro Jahr und erzielte 2024 erstmals Gewinn. Im ersten Quartal 2025 lag die operative Marge bei rund 17 %. Für die Zukunft ist ein Aufholen auf Margen von 25 bis 40 % denkbar. Gegenwärtig hält Google Cloud rund elf Prozent Marktanteil und gewinnt gegenüber Konkurrenten wie AWS, Azure oder Alibaba an Boden. Mit Innovationen wie Vertex AI und AutoML überzeugt Google vor allem Firmen aus Medien, Handel und Einzelhandel – darunter Spotify, NBCUniversal und Target.

Alphabet investiert über seine „Other Bets“ in hochriskante Zukunftsprojekte – von Waymo über Drohnenlieferung bis Blockchain. Allein Waymo hat im Mai 2025 bereits zehn Millionen bezahlte autonome Fahrten absolviert. Doch auch andere Projekte wie Google Ventures oder Fiber stecken noch in frühen Phasen und schreiben derzeit Verluste. Diese Initiativen spiegeln aber die enorme Risikobereitschaft und Innovationskraft der Gruppe wider.

Wie viel ist Alphabet wirklich wert?

Auf Basis einer Einzelbewertung der Geschäftssegmente – Search, YouTube Ads, AdSense, Subscriptions und Cloud – ergibt sich ein fairer Gesamtwert für Alphabet von rund 2,6 Billionen US-Dollar oder etwa 217 USD je Aktie. Damit läge das Papier – selbst ohne Berücksichtigung von Waymo – fast 14 Prozent über dem aktuellen Kurs von rund 194 USD.

Berücksichtigt man, dass Google seine umfangreichen Forschungs- und Entwicklungskosten bislang sofort abschreibt, könnten die operative Margen realistisch noch um drei bis fünf Prozent höher liegen. Im vergangenen Jahr generierte Alphabet fast 73 Milliarden US-Dollar an freiem Cashflow und investierte rund 62 Milliarden Dollar in Aktienrückkäufe. Das spricht für starke Aktionärsfreundlichkeit.

Zudem halten viele renommierte Fondsmanager große Google-Anteile – Bill Ackman, Lee Liu, Francois Rochon, Bill Nygren und andere Positionieren Google als attraktives Investment. Das bedeutet auch, dass die Aktie sehr genau beobachtet wird – und kaum unterbewertet ist – was einem stabilen Bewertungsumfeld entspricht.

Herausforderungen gibt es allerdings: Kartellrechtliche Prüfungen könnten zu Milliarden-Dollar-Strafen oder Einschränkungen führen, wie schon im Fall von Microsoft in den 1990ern. Zudem belasten steigende KI-Kosten, v.a. für Chips wie NVIDIAs GPUs, die Margen im Such- und KI-Segment. Googles Eigenentwicklungen wie Tensor Processing Units könnten hier langfristig helfen.

Gut fürs Depot

Insgesamt bleibt Alphabet ein hochdifferenziertes, widerstandsfähiges Unternehmen. Wer die Chance sucht, nicht nur auf die Suche, sondern auch auf Cloud, Medien, Abos und neue Technologien zu setzen, sieht bei Google eine attraktive Einstiegsmöglichkeit. Meine Sum-of-the-Parts-Bewertung bestätigt ein Kursziel von rund 217 USD pro Aktie – und damit Perspektiven für langfristiges Wachstum.

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