Amazon-Aktie: Die Underperformance trügt

Zündet sie wieder den Turbo?
Redaktion

Die Amazon-Aktie hat sich 2025 bislang deutlich schwächer entwickelt als andere Tech-Schwergewichte. Trotz des geringen Kurszuwachses wächst die Überzeugung vieler Anleger, dass der Konzern vor einer neuen Phase strukturellen Auftriebs steht – getragen von einem expandierenden Infrastrukturgeschäft und einer dynamischen Werbesparte.

stock.adobe.com/Alexey Novikov

Amazon hinkt an den Märkten hinterher: Während Google und Nvidia in diesem Jahr zweistellige bis hohe zweistellige Zuwächse verbuchen, kommt der E-Commerce- und Cloud-Gigant nur auf ein Plus von rund vier Prozent. Rückblickend verlief die Aktie seit den Q1-Zahlen im Frühjahr zwar stabil und im Gleichschritt mit dem S&P 500, doch der Konzern selbst richtet den Blick bereits auf 2026 – mit Ambitionen, die weit über das gewohnte Kerngeschäft hinausreichen.

Amazons stille Infrastruktur-Macht

Die Investmentthese für Amazon geht längst über Onlinehandel, digitale Werbung und AWS hinaus. Entscheidender wird die physische Basis, auf der Amazons KI-Geschäft künftig aufsetzt: ein weit verzweigtes Netz von über 900 Rechenzentrumsstandorten in 50 Ländern. Besonders die große Zahl angemieteter Colocation-Standorte verschafft Amazon Geschwindigkeit – und ein logistisches KI-„Letzte-Meile“-Netz, das Wettbewerbern Jahre des Aufbaus abverlangen würde.

Denn je stärker KI-Anwendungen in Richtung Inferenz – also Echtzeit-Anwendungen nah am Endkunden – wachsen, desto wichtiger wird die Nähe zum Nutzer. Amazons globale Infrastruktur wird damit zu einem strategischen Puffer gegen mögliche Software-Kommoditisierung und macht den Konzern zu einem zentralen Träger der kommenden KI-Phase, unabhängig davon, welches Modell sich am Ende durchsetzt.

AWS als Wachstumspfeiler

AWS verzeichnete im dritten Quartal 2025 ein Umsatzwachstum von 20 Prozent und liegt auf einem annualisierten Niveau von 130 Milliarden Dollar. Besonders KI-Agenten und großvolumige Regierungsaufträge treiben die Nachfrage. Amazons Commitment von 50 Milliarden Dollar zum Ausbau von KI- und Supercomputing-Kapazitäten für US-Behörden stärkt die Position im öffentlichen Sektor zusätzlich.

Analysten erwarten, dass AWS 2026 zu Wachstumsraten bis zu 25 Prozent zurückfinden kann. Je nach Multiple ergibt sich daraus eine Bewertungsspanne von 1,32 bis knapp 2 Billionen Dollar für das Cloud-Geschäft.

Werbung als Cashmaschine

Die Werbesparte zählt zu Amazons margenträchtigsten Bereichen. Mit einem Umsatzplus von 22 Prozent im dritten Quartal 2025 wächst sie schneller als E-Commerce und AWS. Die operative Marge wird auf über 50 Prozent geschätzt. Dazu kommt der dynamische Ausbau von Prime Video: Mit monatlich über 315 Millionen Nutzern ist die werbefinanzierte Reichweite innerhalb von 18 Monaten massiv gestiegen.

Dieses Segment generiert jene Cashflows, die Amazon zur Finanzierung seiner gewaltigen Infrastrukturinvestitionen nutzen kann, ohne die Bilanz zu belasten. Bei einem Umsatz von etwa 70 Milliarden Dollar und konservativ geschätzten operativen Einnahmen um 25 Milliarden ergibt sich eine potenzielle Bewertung um 800 Milliarden Dollar – langfristig könnte der Bereich angesichts des globalen Werbewachstums sogar die Billionengrenze überschreiten.

Handel als globales Skalierungsmodell

McKinsey prognostiziert dem weltweiten E-Commerce-Markt bis 2040 ein Volumen von 14 bis 20 Billionen Dollar. Mit rund 38 Prozent Marktanteil in den USA und etwa 15 Prozent international könnte Amazons GMV langfristig auf mehr als 2,5 Billionen Dollar steigen. Bei einer moderat wachsenden Take Rate von 25 Prozent ergäbe sich ein Umsatzpotenzial von rund 625 Milliarden Dollar.

Durch Automatisierung, Robotik und Netzwerkintegration sind Free-Cash-Flow-Margen von acht bis zehn Prozent denkbar. Selbst unter Anwendung eines konservativen Multiples von 40 ergibt sich daraus ein Wert von etwa 2,4 Billionen Dollar.

Mögliche Stolpersteine

Risiken ergeben sich vor allem aus geopolitischen Spannungen und möglichen Zollregelungen, die die zarten Margen im Handelsgeschäft unter Druck setzen könnten. Ebenso birgt der enorme Investitionsbedarf im Cloud- und KI-Segment Risiken, sollte das Wachstum von AWS oder agentischen KI-Systemen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Schwankungen am Gesamtmarkt könnten die Effekte hoher CapEx-Phasen zusätzlich verstärken.

Bewertungsperspektive

Die Teilbereiche des Konzerns ergeben zusammengerechnet ein mögliches Wertpotenzial von rund 5,5 Billionen Dollar: knapp zwei Billionen für AWS, rund eine Billion für die Werbesparte und etwa 2,4 Billionen für das Handelsgeschäft. Zusätzliche Geschäftsfelder wie stationärer Handel, Abonnements, Kuiper, Zoox oder Twitch sind dabei nicht einmal berücksichtigt. Zusammen ergibt sich ein Bild, das den optimistischen Blick auf Amazons langfristige Perspektiven stützt.

ℹ️ Amazon in Kürze

  • Amazon (WKN: 906866) mit Hauptsitz in Seattle im US-Bundesstaat Washington ist ein global agierender Online-Versandhändler mit einer breit gefächerten Produktpalette.
  • In vielen Produktkategorien ist Amazon der weltweit führende Einzelhändler. Über die Verkaufs- und Logistikplattform des Konzerns können auch Privatpersonen und andere Händler ihre Produkte anbieten.
  • Neben seiner marktführenden Position im E-Commerce ist Amazon über seine Sparte Web Services auch der weltweit größte Anbieter von Cloud Computing-Diensten.
  • Amazon notiert im Nasdaq 100 sowie im S&P 500 Index und ist mit einem aktuellen Börsenwert von ca. 2,44 Billionen US$ das fünftwertvollste Unternehmen der Welt.
Zugehörige Kategorien: Konsum-Aktien Tech-Aktien