AMD vs. Nvidia: Die große KI-Aktien-Debatte

Ist das Rennen schon entschieden?
Redaktion

Anleger erleben derzeit eines der spannendsten Duelle der Technologiewelt: Nvidia und AMD ringen um die Vorherrschaft im Markt für KI-Chips – dem aktuell wahrscheinlich zukunftsträchtigsten Segment der gesamten Halbleiterindustrie. Während Nvidia seine dominante Stellung mit atemberaubenden Margen und rasantem Umsatzwachstum verteidigt, arbeitet AMD mit zunehmender Präzision daran, dem Branchenprimus Marktanteile abzujagen und sich als ernstzunehmende Alternative zu positionieren.

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Vom Diner zum KI-Titan

Nvidia hat seit seiner Gründung in einem Denny’s-Diner eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt und dominiert heute das Geschäft mit generativer künstlicher Intelligenz. Am 23. Mai erlebte das Unternehmen seinen „iPhone-Moment“, als die Ergebnisse des ersten Quartals 2024 sämtliche Erwartungen übertrafen. AMD hingegen spielte jahrzehntelang eher die zweite Geige – erst hinter Intel, später hinter Nvidia. Doch unter CEO Lisa Su hat sich der Konzern tiefgreifend gewandelt und greift nun nach Marktanteilen im lukrativsten Segment der Branche. Nach einem Überblick über Marktumfeld und Unternehmen folgt eine Analyse zentraler Kennzahlen sowie der Bewertung über das Kurs-Gewinn-Verhältnis.

Der expandierende KI-Markt

Die Vorteile von KI-Anwendungen sind Nutzern von Tools wie Gemini, ChatGPT oder Perplexity längst bewusst, doch das größte Marktpotenzial liegt in der Unternehmenswelt. Eine Studie von Morgan Stanley sieht Kostensenkungspotenziale von rund 38 Billionen Dollar durch KI-Adaption. Für Unternehmen gilt zunehmend das Motto: Wer keinen Platz am Tisch hat, landet auf der Speisekarte – denn zahlreiche Tätigkeiten stehen zur Disposition.

Der Markt für KI-Chips umfasst derzeit rund 94,5 Milliarden Dollar, mit einer Wachstumsrate von 29 Prozent. Dieser Wert ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Während verschiedene Institute große Marktvolumina prognostizieren, ragt AMD mit besonders optimistischen Zahlen heraus, die jedoch als wenig realistisch gelten.

Der „AI Bubble“-Diskurs

Die Debatte über eine mögliche KI-Blase nimmt zu, doch technologische Revolutionen waren historisch stets von Spekulationsphasen begleitet. Kurzfristig wird Nachfrage überschätzt, Infrastruktur entsteht oft mit Fremdkapital, und Anleger erhöhen ihre Risiken – ein Muster, das sich immer wiederholt.

Für eine finale Phase der KI-Euphorie gibt es jedoch kaum Hinweise. Unternehmenschefs betonen weiterhin die ungebrochene Nachfrage. Zudem profitieren vor allem Bereiche wie Halbleiter und Energieversorgung vom Trend zur „verkörperten KI“. Politische Impulse wie die jüngst erlassene US-Initiative „Genesis Mission“, die KI in den Rang eines Manhattan-Projekts hebt, verstärken diesen Trend.

Die Struktur der KI-Halbleiterindustrie

Die Branche weist nach Porters Wettbewerbsanalyse ein attraktives Profil auf: hohe Markteintrittsbarrieren, geringe Verhandlungsmacht der Zulieferer, begrenzte Ausweichmöglichkeiten für Kunden und nur moderate Bedrohung durch Ersatzprodukte. Besonders prägend sind die enormen Kapitalanforderungen, technologisches Know-how, hohe Wechselkosten und die Fähigkeit, Produkte in schneller Folge zu verbessern.

Nvidia hat mit CUDA ein proprietäres Software-Ökosystem geschaffen, das Entwickler an die eigene Hardware bindet und Data-Center-Infrastruktur eng verzahnt. AMD hingegen setzt auf Offenheit: Die Plattform ROCm ist weniger geschlossen, bietet aber Kostenvorteile von bis zu 40 Prozent und hohe Flexibilität – ähnlich dem Verhältnis von Android zu Apple iOS.

Kann AMD Marktanteile gewinnen?

Nvidia behauptet mit 92 Prozent weiterhin eine nahezu monopolartige Stellung im Markt für Datacenter-GPUs. AMD steigerte den Anteil leicht von 3 auf 4 Prozent und formuliert ein ambitioniertes Ziel von bis zu 30 Prozent. Eine realistische Größenordnung wären jedoch eher 10 Prozent, da Großkunden AMD als Verhandlungsinstrument gegen Nvidia nutzen können. Venture-finanzierte Wettbewerber wie Cerebras und Groq erhöhen den Druck zusätzlich.

Auch große Technologiekonzerne entwickeln zunehmend eigene Chips. Alphabet verkauft seine TPU-Chips bereits an Meta, und in China ist mit Moore Threads ein neuer Wettbewerber an den Start gegangen – gegründet von ehemaligen Nvidia- und AMD-Ingenieuren.

Jüngste Geschäftszahlen

Sowohl Nvidia als auch AMD legten starke Quartale vor. Nvidia überzeugt durch außergewöhnliche Profitabilität: Eine Bruttomarge von 73,6 Prozent erreicht fast Software-Niveau. Das ermöglicht trotz enormer Unternehmensgröße ein Umsatzwachstum von mehr als 60 Prozent und starke Steigerungen im Datacenter-Segment.

AMD präsentierte solide Zahlen, blieb jedoch hinter Nvidia zurück. Das Datacenter-Wachstum lag bei 22 Prozent, die Bruttomarge bei 54 Prozent. Langfristig soll die Profitabilität jedoch durch ein wachsendes KI-Chipgeschäft deutlich steigen – vorausgesetzt, das Unternehmen liefert makellose Ausführung.

Zentrale Leistungskennzahlen

Ein Vergleich der wichtigsten KPIs zeigt klare Unterschiede: Nvidia wächst schneller, erzielt deutlich höhere Margen und liegt beim „Rule of 40“-Wert weit voraus. AMD hingegen steigert seine Wachstumsdynamik und dürfte künftig stärker profitieren, insbesondere durch drei große KI-Deals, die ab 2026 voll wirksam werden: OpenAI, Oracle und Meta.

Auch qualitative Faktoren wie ESG-Bewertung, Kreditratings oder Mitarbeiterzufriedenheit sprechen leicht für Nvidia, wenn man die Unternehmensgröße berücksichtigt.

Risiken

Halbleiterproduktion ist generell mit hohen technologischen Risiken verbunden. Für AMD bergen vor allem exakte Umsetzung, neue spezialisierte Wettbewerber und mögliche Probleme in der Lieferkette zusätzliche Herausforderungen. Das Geschäftsmodell als kostengünstigerer Anbieter erhöht zudem die Abhängigkeit von Speicherpreisen.

Bewertung der Aktien

Traditionell waren Halbleiterhersteller niedrig bewertet, doch der strukturelle KI-Boom rechtfertigt höhere Multiplikatoren. Nvidia wird trotz eines KGV von rund 39 angesichts seiner Wachstums- und Ertragskraft als eher günstig eingeschätzt. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass die heutigen Margen durch den First-Mover-Vorteil verzerrt sein könnten.

AMD wirkt mit einem KGV von etwa 52 teuer, doch zugleich verfolgt das Unternehmen eine klare Wachstumsstrategie. Das Ziel von 20 Dollar Gewinn pro Aktie wäre ein radikaler Sprung gegenüber den aktuellen vier Dollar – gelänge dies, wäre die Aktie deutlich unterbewertet.

Fazit

Nvidia und AMD gehören zweifellos zu den herausragenden Playern im KI-Zeitalter. Nvidia überzeugt mit Dominanz, Profitabilität und umfassendem Ökosystem. AMD hingegen bietet das größere Aufholpotenzial und könnte bei erfolgreicher Umsetzung seiner Strategie erheblich an Wert gewinnen. Sollte das Unternehmen seinem ehrgeizigen Gewinnziel näherkommen, eröffnet sich erheblicher Bewertungsraum. Nvidia bleibt ein Qualitätswert, doch AMD könnte sich für mutige Anleger als dynamischere Chance erweisen.

ℹ️ AMD in Kürze

  • Advanced Micro Devices (AMD) mit Hauptsitz in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien entwickelt und vertreibt Mikroprozessoren, Chipsätze und System-on-a-Chip-Lösungen.
  • Eine eigene Fabrikationsstätte hat das Unternehmen seit der Ausgründung der eigentlichen Halbleiterherstellung im Jahr 2009 in Globalfoundries nicht mehr.
  • Aktuell hat das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von rund 350 Milliarden US$.

ℹ️ Nvidia in Kürze

  • Die Nvidia Corporation (WKN: 918422) ist einer der weltweit größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen.
  • Die Chips und Prozessoren des Konzerns kommen in Personal Computern, Spielekonsolen, Rechenzentren und autonom fahrenden Autos zum Einsatz.
  • Das in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien beheimatete Unternehmen ist Marktführer im Bereich Hochleistungschips für Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz.
  • Nvidia ist Mitglied in den US-Indizes Nasdaq 100, S&P 500 und Dow Jones und wird aktuell mit rund 4,41 Billionen US$ bewertet.
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