Nvidia-Aktie: Wird die KI-Blase platzen?

Kursphantasie bleibt bestehen
Redaktion

Die Nvidia-Aktie steht trotz beeindruckender Geschäftszahlen unter Druck geraten. Während der Konzern weiter massiv vom KI-Boom profitiert, reagiert der Markt empfindlich auf jeden Hinweis, dass große Technologiekonzerne eigene Alternativen zu Nvidias GPU-Dominanz entwickeln. Doch ein genauer Blick zeigt: Die Konkurrenz belebt den Markt – ohne den Burggraben des Unternehmens ernsthaft zu gefährden.

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Starke Zahlen, doch der Markt blickt nervös auf die Konkurrenz

Obwohl Nvidia am 19. November glänzende Ergebnisse für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2026 präsentierte, geriet die Aktie – wie der Kursverlauf zeigt – unter Druck. Hintergrund dürfte Googles Vorstellung des fortgeschrittenen Sprachmodells Gemini 3 sein, das vollständig auf TPUs trainiert wurde. Seit meiner letzten Analyse im Januar – damals mit einer Halteempfehlung aufgrund möglicher Chip-Kommoditisierung durch das chinesische KI-Start-up DeepSeek – legte die Aktie dennoch rund 45 Prozent zu.

Nvidia bleibt das Zentrum der KI-Revolution

Die zentrale Frage lautet, ob Googles Fortschritte die GPU-Dominanz von Nvidia ernsthaft bedrohen. Der Markteintritt eines weiteren leistungsfähigen KI-Infrastruktur-Anbieters kann sogar als stabilisierend gewertet werden – insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen über eine mögliche KI-Blase. Mehr Anbieter bedeuten geringere Abhängigkeiten und ein robusteres Ökosystem. Gleichzeitig zeigt sich, dass weder eine Kommoditisierung der GPU-Technologie noch eine abrupte Wertminderung bestehender Hardware realistisch erscheint.

Google greift an – doch das Nvidia-Ökosystem hält stand

Gemini 3 bietet ähnlich leistungsstarke Fähigkeiten wie ChatGPT-5, das weiterhin auf Nvidia-Hardware läuft. Entscheidender ist jedoch: Google hat erstmals ein TPU-basiertes Modell geschaffen, das die schnellsten GPU-basierten Trainingssysteme von OpenAI und xAI übertrifft. Dennoch bleibt Nvidias Vorsprung aus mehreren Gründen bestehen.

Googles TPU-Architektur ist streng auf die eigene Cloud-Infrastruktur ausgerichtet und kein frei skalierbares Ökosystem wie Nvidias GPUs in Verbindung mit der universellen CUDA-Plattform. Zudem besitzt Nvidia mit Spectrum-X eine flexible Netzwerktechnologie, die in verschiedensten Rechenzentrumsumgebungen einsetzbar ist – Googles Hardware bleibt hingegen weitgehend intern. Und vor allem: CUDA, das Herzstück der GPU-Programmierung, ist fest in der Entwicklergemeinschaft verankert und verschafft Nvidia einen erheblichen Vorsprung.

Der Eintritt eines weiteren ernstzunehmenden Wettbewerbers wie Google reduziert zudem systemische Risiken im KI-Bereich. Eine Branche, die bislang stark von Nvidia, Microsoft, OpenAI und einigen wenigen Akteuren geprägt ist, erhält so zusätzliche Stabilität.

Zwischen Gewinnsprung und Bewertungsdruck

Trotz sprunghaft gestiegener Gewinne ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis zurückgegangen. Bei meiner letzten Betrachtung lag das forward KGV bei 40 – damals mit der Befürchtung, DeepSeek könnte Nvidias Hardware zu einem austauschbaren Gut machen. Doch mit einem Umsatzplus von 62,5 Prozent im dritten Quartal, der Aussicht auf noch schnelleres Wachstum und einem Gewinnanstieg von rund 45 Prozent hat sich das Gegenteil herausgestellt: Nvidias Spitzenchips bleiben wertstiftend und preisstark.

Das aktuelle KGV von 44,5 spiegelt diesen dynamischen Gewinnanstieg nicht vollständig wider. Die Bewertung hinkt der Ergebnisentwicklung hinterher – ein Hinweis auf weiteres Kurspotenzial.

GPU-Lebensdauer statt Wertverfall

Der jüngst diskutierte „GPU-Abschreibungsmythos“ verfängt nicht. Nvidias aktuelle Top-Modelle wie der GB200 können flexibel zwischen klassischen Datenverarbeitungsaufgaben, Empfehlungssystemen und modernsten KI-Anwendungen wechseln. Selbst ältere Modelle wie der H100 bleiben produktiv und leistungsfähig. Möglich macht dies das CUDA-Ökosystem, das volle Rückwärtskompatibilität bietet und damit die Nutzungsdauer der Hardware deutlich verlängert.

Nvidias Plattform gleicht damit eher einem softwarezentrierten Hochleistungsrechner-System – vergleichbar mit EDA-Spezialisten wie Cadence oder Synopsys, die dank hoher Wechselkosten feste Marktpositionen innehaben.

Bewertung mit Risikoaufschlag – und dennoch attraktiv

Vergleichszahlen zeigen, dass Nvidia deutlich profitabler ist als klassische Software-Monopolisten der Chipdesign-Branche. Eine vollständige Angleichung der Bewertung wäre jedoch angesichts möglicher Risiken – etwa steigender Kapitalkosten durch hohe Verschuldung der Hyperscaler, potenzieller weiterer Überraschungen durch Start-ups oder einer vertieften Google-OpenAI-Kooperation – zu optimistisch.

Ein moderater Aufschlag von 17,5 Prozent erscheint realistischer, was auf Basis eines Kursniveaus von 182 Dollar ein Kursziel von rund 214 Dollar ergibt. Angesichts der starken Marktstellung und der anhaltend hohen Nachfrage bietet dies weiterhin Aufwärtspotenzial.

Warum die Angst vor der KI-Blase übertrieben ist

Während Google nach dem Gemini-Erfolg neue Höchststände markiert, schwächelt Nvidia kurzfristig. Das mag daran liegen, dass TPUs effizienter sind und spezialisierte Aufgaben mit geringerem Energieverbrauch erledigen. Doch gerade diese Spezialisierung begrenzt ihren Einsatz – im Gegensatz zu den universell einsetzbaren GPUs, die praktisch jedes KI-Modell in jeder Rechenzentrumsumgebung unterstützen.

Zudem ist der Wechsel von CUDA zu TPUs mit erheblichen Hürden verbunden, was einem funktionalen Lock-in entspricht. Und selbst wenn Nvidia Einzelkunden verliert, wächst der Markt rasant: Die globale KI-Nachfrage soll zwischen 2025 und 2033 um jährlich 31,5 Prozent steigen.

Ein Blick zurück – und nach vorn

Wie im Dotcom-Zeitalter wird auch heute über eine Blase diskutiert. Doch diesmal besteht ein entscheidender Unterschied: Die Nachfrage ist real und wächst. Während beim Internetboom Überkapazitäten entstanden, die mangels Nutzung implodierten, verkauft Nvidia heute jeden Chip in ein Umfeld nahezu unbegrenzter KI-Anwendungsfälle – und erzielt dabei hohe Margen. Selbst wenn die Profitabilität großer KI-Anbieter wie OpenAI erst in einigen Jahren sichtbar wird, bleibt die strukturelle Nachfrage intakt.

ℹ️ Nvidia in Kürze

  • Die Nvidia Corporation (WKN: 918422) ist einer der weltweit größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen.
  • Die Chips und Prozessoren des Konzerns kommen in Personal Computern, Spielekonsolen, Rechenzentren und autonom fahrenden Autos zum Einsatz.
  • Das in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien beheimatete Unternehmen ist Marktführer im Bereich Hochleistungschips für Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz.
  • Nvidia ist Mitglied in den US-Indizes Nasdaq 100, S&P 500 und Dow Jones und wird aktuell mit rund 4,34 Billionen US$ bewertet.
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