Dell-Aktie nach Zahlen: Rekorde mit Schönheitsfehlern
Dell gehört zu den klarsten Gewinnern des laufenden KI-Booms – und dennoch verhält sich die Aktie wie ein Hochvoltspekulant. Zwischen euphorischen Kurssprüngen und abrupten Korrekturen versuchen Investierende zu verstehen, ob der Technologiekonzern vor einer nachhaltigen Profitexplosion steht oder lediglich kurzfristige Fantasie bedient.
Dell zählt zweifellos zu den bisherigen Profiteuren der KI-Revolution, dennoch gleicht die Kursentwicklung einer Achterbahnfahrt. Seit Anfang 2024 übertrifft die Nachfrage nach KI-Servern alle Erwartungen. Parallel hat sich abgezeichnet, dass KI auch den lange erhofften PC-Erneuerungszyklus auslöst, was Dells Ergebnispotenzial zusätzlich steigert. Gleichzeitig stand ein Thema im Fokus der Analysten: Die boomende KI-Server-Sparte verwässert die Margen, anstatt sie im Verhältnis zur Umsatzentwicklung zu stärken. Dell verdient zwar gut an KI-Servern, doch mit deren wachsendem Anteil am Gesamtumsatz sinkt die Bruttomarge prozentual. Dieses Spannungsfeld sorgt für heftige Kursschwankungen, während der Markt versucht einzuschätzen, ob Dell künftig üppige Gewinne liefern kann.
Ein Blick auf die jüngsten Quartalszahlen
Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2026 zeigte Dell eine starke Entwicklung. Der Konzern erzielte einen Rekordumsatz von 27 Milliarden Dollar, ein Plus von elf Prozent im Jahresvergleich. Das Ergebnis je Aktie kletterte um 39 Prozent auf 2,28 Dollar, der operative Cashflow belief sich auf 1,2 Milliarden Dollar. Angesichts dieser Zahlen passte Dell die Prognose nach oben an und erwartet nun KI-Auslieferungen von 25 Milliarden Dollar sowie einen Jahresumsatz von rund 112 Milliarden Dollar, was einem Wachstum von 17 Prozent entspricht. Dennoch lag der Umsatz knapp 300 Millionen Dollar unter den Markterwartungen, während der Gewinn pro Aktie die Schätzungen übertraf.
Nach Vorlage der Quartalszahlen legte die Aktie gestern nachbörslich zunächst über vier Prozent zu, doch die Frage bleibt, ob der Kurs die Gewinne verteidigen kann. Ähnlich wie bei Nvidia könnte kurzfristige Euphorie schnell verpuffen. Der Markt scheint sich zunehmend an Wachstumsraten von 20 bis 50 Prozent zu gewöhnen – im KI-Sektor gilt das inzwischen fast als Normalzustand. Die entscheidende Frage lautet somit, was passiert, wenn dieses Wachstum tatsächlich zur Routine wird.
Margendruck trotz Rekorden
Die Bruttomarge legte zwar um vier Prozent zu, doch die gestiegenen Produktkosten führten zu einer Rückgang der Marge auf 20,7 Prozent. Gleichzeitig senkte Dell die operativen Verwaltungs- und Vertriebsausgaben um sechs Prozent, wodurch der operative Gewinn auf 2,12 Milliarden Dollar stieg, ein Plus von 23 Prozent. Der Nettogewinn wuchs um 32 Prozent auf 1,55 Milliarden Dollar, was einer Marge von 5,7 Prozent entspricht. Das Unternehmen verbuchte im Quartal Aufträge von 12,3 Milliarden Dollar, womit sich der bisherige Jahreswert auf 30 Milliarden Dollar erhöht. Besonders bemerkenswert: Der KI-Auftragsbestand liegt bei 18,4 Milliarden Dollar und macht inzwischen mehr als 60 Prozent des gesamten Backlogs aus.
Ein gewaltiger Server-Umbruch kündigt sich an
Dell betonte, dass mehr als 70 Prozent der installierten Serverbasis noch auf 14. Generation oder älter laufen. Inzwischen verkauft der Konzern die 17. Generation, die zu deutlich höheren Preisen gehandelt wird – der durchschnittliche Verkaufspreis ist in den vergangenen drei Jahren um über 40 Prozent gestiegen. Da ein einziges System der neuesten Generation fünf bis sieben ältere Server ersetzen kann, scheint der anstehende Austausch weniger ein optionaler Treiber, sondern fast eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Dell sichert sich damit eine Schlüsselrolle, denn im Segment hochklassiger Server hält das Unternehmen einen Marktanteil von 20 Prozent, bei Midrange-Systemen sogar 65 Prozent.
Woher die Umsätze tatsächlich kommen
Ein detaillierter Blick zeigt: Das Wachstum stammt klar aus Server- und Netzwerklösungen, während andere Bereiche nur leicht zu- oder abnehmen. Die Umsatzkurve bestätigt ein Muster, das bereits in früheren Quartalen sichtbar war – starke Sprünge, gefolgt von moderaten Rücksetzern, die jedoch allesamt über den Vorjahreswerten verbleiben. Sollte der Erneuerungszyklus weiter Fahrt aufnehmen, wäre ein erneuter Umsatzsprung im nächsten Geschäftsjahr keine Überraschung. Die Client Solutions Group hingegen tritt derzeit auf der Stelle, da der PC-Austausch noch nicht voll durchschlägt.
Bewertung mit Potenzial
Zur Einordnung lohnt sich der Blick auf die langfristigen Unternehmensziele: Dell strebt bis 2030 ein jährliches Umsatzwachstum von sieben bis neun Prozent, ein Gewinnwachstum je Aktie von über 15 Prozent sowie mehr als zehn Prozent Dividendensteigerung pro Jahr an. Allein in diesem Jahr flossen 5,3 Milliarden Dollar an Aktionäre zurück. Bewertungsseitig präsentiert sich Dell attraktiv. Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei rund 13, das Verhältnis von Unternehmenswert zu EBITDA bei neun. Die Free-Cashflow-Rendite beträgt beachtliche 9,2 Prozent. Trotz explodierender Auftragsbücher wird Dell vom Markt weiterhin wie ein zyklischer Hardwareproduzent bepreist, dessen Produkte Gefahr laufen, zur austauschbaren Ware zu werden. Doch die enge Verzahnung mit Rechenzentrumsbetreibern und Großkunden schafft eine Loyalität, die das Risiko neuer Konkurrenzpartnerschaften reduziert.
Die aktuelle Bewertung suggeriert durchaus noch Skepsis gegenüber der Nachhaltigkeit des KI-Zyklus. Sollte die Nachfrage jedoch anhalten und die Margen stabil bleiben oder sich verbessern, wirkt Dell deutlich unterbewertet. Rutschen die Margen stärker ab als erwartet, hätte die aktuelle Bewertung wiederum ihre Berechtigung. Das Chancen-Risiko-Verhältnis scheint zugunsten des Optimismus zu kippen.
Fazit: Eine unterschätzte Kraft im KI-Boom
Dell wächst rasant, generiert hohe freie Cashflows und verfügt über einen außergewöhnlich großen Auftragsbestand, der das Unternehmen über Jahre tragen dürfte. Die Profitabilität bleibt der zentrale Beobachtungspunkt. Doch Marktanalysten, Banken und quantitative Bewertungssysteme kommen zum selben Schluss: Dell ist derzeit ein Kauf.
ℹ️ Dell in Kürze
- Dell Technologies (WKN: A2N6WP) ist ein US-Hersteller von Computern und sonstiger IT-Hardware.
- Bekannt ist das Unternehmen vor allem für seine Desktop-Computer und Notebooks. Seit der Übernahme der Firma EMC im Jahr 2016 ist Dell auch als Anbieter von Back-End-Produkten in den Bereichen Server, Netzwerke und Datensicherung aktiv.
- Der in Round Rock im US-Bundesstaat Texas ansässige Konzern notiert an der New York Stock Exchange und ist rund 85 Milliarden US$ wert.