Börsen feiern Zoll-Deal – so profitieren Anleger jetzt

Börsenprofi analysiert die Märkte

Da ist er also, der lange umstrittene Zoll-Deal zwischen der EU und den USA. Die Börsen feiern die Vereinbarung am Montagmorgen, DAX und US-Futures leuchten grün. Doch wie können Anleger jetzt profitieren? Und wie geht's weiter?

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Letzter Akt im Zoll-Drama?

Börsenfuchs Marco Messina ist seit Jahrzehnten an den Märkten aktiv, hat Höhen und Tiefen erlebt. Wie schätzt der Chefanalyst des Aktien Navigator die Lage nach dem Zoll-Deal zwischen der EU und den USA ein und welche Konsequenzen zieht er für seine Handelsaktivitäten und die der Club-Mitglieder?

Im Interview mit SD-Chefredakteur Frank Giarra wirft Marco Messina einen dezidierten Blick auf die aktuelle Lage und zeigt auf, wo er jetzt gute Investmentchancen sieht.

Die USA und die EU haben sich im Zoll-Streit geeinigt. Fällt damit der letzte Vorhang in diesem Drama?

Marco Messina: Einigung im Zoll-Streit zwischen den USA und der EU – klingt nach Happy End, oder? Wer jetzt aber meint, der letzte Vorhang im transatlantischen Zoll-Drama sei gefallen, der irrt vermutlich gewaltig. Es ist eher eine Atempause, ein leises Innehalten, bevor die nächste Szene beginnt.

Erinnern wir uns: Donald Trump drohte mit satten 30%-Strafzöllen auf europäische Waren, insbesondere auf Autos, Maschinenbau und Chemie – also den Kern der deutschen Exportstärke. In Brüssel brodelte es gewaltig, und man plante massive Gegenmaßnahmen, sollte kein Deal zustande kommen. Von deutscher Seite hieß es bereits: „Wenn sie Krieg wollen, bekommen sie Krieg.“

Dass jetzt eine Einigung erzielt wurde, wo anscheinend 15% auf fast alles, was von der EU in die USA exportiert wird, anfällt, es aber diverse Ausnahmen gibt, wo weiterhin 0% gezahlt werden, ist zweifellos ein positives Signal. Es nimmt zumindest vorübergehend den ganz großen Druck von exportorientierten Unternehmen und schafft eine gewisse Planbarkeit. Auch wenn für einige Branchen 15% gegenüber den vorherigen minimalen Zollsätzen nichts ist, wo die vor Freude in die Hände klatschen dürften. Aber in Anbetracht dessen, was die USA gefordert haben, scheint der Kompromiss nicht ganz so faul, wie zunächst vermutet wurde.

Marco Messina, Chefanalyst Aktien Navigator.

Doch die zugrundeliegende protektionistische Agenda, die Trump seit seiner Machtübernahme verfolgt, bleibt bestehen: maximale Produktion im Inland, minimale Abhängigkeit vom Ausland – koste es, was es wolle. Also, was für Drohgebärden kommen als Nächstes? Und vor allem: Wird diese Einigung auch tatsächlich unterzeichnet?

Die Märkte mögen zwar kurz aufatmen, aber die strukturellen Risse im globalen Handel und die geopolitischen Spannungen sind damit nicht verschwunden. Der Zollstreit hat der US-Regierung bereits viele Milliarden US$ an zusätzlichen Einnahmen beschert, die letztlich der Endverbraucher in den USA zahlt, wie die Preisentwicklungen bei vielen Einzelhändlern wie Walmart deutlich zeigen.

Die Einigung im Zoll-Streit ist ein wichtiger Schritt, der kurzfristige Erleichterung bringt. Aber sie ist kein Allheilmittel. Die Bühne ist weiterhin bereitet für weitere Akte im Handelskonflikt.

Für uns als Anleger gilt daher weiterhin: Ruhe bewahren, selektiv investieren und politische Nebelkerzen nicht mit Leuchtsignalen verwechseln. Wer jetzt auf europäische industrielle Selbstbehauptung und Resilienz setzt, legt das Fundament für langfristigen Erfolg, denn Europa bewegt sich, auch wenn die Kurse träge wirken.

Börse rechnet nicht, sondern träumt

Nachweislich haben Zölle negative Auswirkungen auf das BIP und treiben die Preise. Wie kann es da sein, dass die Börsen trotzdem auf Allzeithoch notieren?

Marco Messina: Weil Börse nicht rechnet, sondern träumt. Natürlich sind Zölle wirtschaftlich unsinnig – sie kosten Wachstum, erhöhen Preise, dämpfen Investitionen. Laut IWF kostet die Trump’sche Zollpolitik die US-Wirtschaft rund 0,4% Wachstum. Die EU verliert etwas weniger, aber verliert auch.

Trotzdem: Der S&P 500 kratzt an der 6.400er Marke. Warum? Weil die Fed vielleicht bald beginnen könnte, die Zinsen zu senken. Weil die Tech-Giganten und vor allem die Fantasie bei der weiteren Entwicklung zu KI weiter liefern. Weil zu viel Geld auf zu wenig Aktien trifft.
Und weil viele Anleger glauben: Bevor ich mit meiner Cashquote ins Grab gehe, lieber noch Nvidia mit einem KGV von knapp 60 kaufen.

Alles in allem ist das eine wunderbare Suppe, um den Nasdaq-Crash aus dem Jahre 2000 noch mal zu erleben.

„Einen Rücksetzer würde ich begrüßen“

Steht uns womöglich ein großer Kater oder sogar ein Crash bevor?

Marco Messina: Kater? Sicher, der muss einfach irgendwann kommen. Crash? Schwer zu sagen, gefühlt müsste er eigentlich täglich starten, aber ich glaube, der wird so schnell nicht kommen, und ich will auch begründen warum.

Die Marktbreite ist dünn, die Bewertungen bei Tech sind absurd, die Geopolitik ist fragil. Und trotzdem: Wir leben in einem System, das Crashs immer kürzer und flacher macht. Warum? Weil die Notenbanken nicht mehr neutral sind. Weil Regierungen sofort „stimulieren“. Und weil die Welt auf Dauerinflation getrimmt ist. Alles wird immer sofort reguliert oder es werden Verbote, zum Beispiel Leerverkaufsverbote, initiiert.

Ein Rücksetzer von 15 bis 25%? Den würde ich definitiv begrüßen. Ein echter Crash? Dafür müsste etwas richtig Großes passieren: China greift Taiwan an, Russland ein Nato-Land, Trump stolpert oder ein großer Hedgefonds kippt. Solange das ausbleibt: weiter hoch, mit Schwankungen.

Aber jetzt mal im Ernst: Gesund ist das nicht, aber wir erleben seit der Finanzkrise 2007/2008 bei jeglichen normalen Problemen am Aktienmarkt sofort ein Eingreifen der Notenbanken und Regierungen. Freie Märkte und eigenständige langfristige Kursmuster sind kaum noch zu erkennen.

Eine teils spektakuläre Performance

Wie sieht’s mit Ihrer Performance 2025 bislang aus – und mit dem Aktien Navigator?

Marco Messina: Sehr solide, in Teilen sogar spektakulär – und vor allem: sehr sauber gespielt. Das Echtgelddepot liegt per Stand 27. Juli seit Eröffnung bei exakt +30 % brutto (vor Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag auf realisierte Gewinne und erhaltene Dividenden). Und das, obwohl wir ja erst vor zwei Jahren mit einer Investitionsquote von 25% gestartet sind – und das Depot über die ersten zwölf Monate Schritt für Schritt aufgebaut haben. Eine aussagefähige Investitionsquote haben wir eigentlich erst seit knapp einem Jahr.

Deswegen finde ich die Frage gut: Wie sieht’s denn in diesem Jahr bisher aus? Und siehe da – wir liegen im bisherigen Jahresverlauf netto, also nach Steuern, bei rund +23 % YTD.

Damit schlagen wir den DAX, den S&P 500, den Nasdaq 100, aber auch den Dow Jones und den Euro Stoxx 50 deutlich. Teilweise sogar mit einem Vorsprung von bis zu 15 Prozentpunkten!

Was lief gut? Kein Totalausfall, keine wilden Zockereien. Und in diesem Markt ist das schon die halbe Miete. Unser bestes Pferd im Stall hat allein in diesem Jahr +104%% Kursgewinn zu unseren Buchgewinnen beigetragen. Und nebenbei haben wir bei dieser Position auch noch rund 3,5%  Nettodividende kassiert.

„Drei Felder spiele ich jetzt offensiv“

Wo sehen Sie bis Jahresende noch gute Investmentchancen?

Marco Messina: Drei Felder, die ich offensiv spiele:

1. Rohstoffe mit EU-Fantasie: Trump macht Zölle, die China, die USA und auch EU brauchen Rohstoffe – und die jeweiligen Abhängigkeiten sollten so gering wie möglich werden. Das öffnet einige Chancen im Markt. Da wird es in den kommenden Jahren noch ganz schöne Verschiebungen geben. Qatar hat angedroht, der EU wegen deren Klimapolitik vielleicht bald kein Gas mehr zu schicken. Dabei hat doch der Messias Habeck dort sogar per Knicks die Lieferverträge in Gang gebracht. Wenn das passiert, stehen andere Lieferanten in den Startlöchern, insbesondere aus den USA. Aber die EU macht sich erpressbar. Entweder Russland, der Nahe Osten oder die USA beliefern uns umfassend. Alternativ müssen wir, wie in Polen geschehen, selber wieder nach Erdgasfeldern suchen. Die politische Diskussion dazu möchte ich gern mal erleben…

2. Defence & Infrastruktur: Vor allem Infrastruktur haben wir derzeit im Portfolio aufgebaut, einen direkten Defencewert jetzt nicht, die sind zuletzt dann doch zu schnell durch die Decke gegangen und zahlen selten gute Dividenden, da das Geld in weiteres Wachstum investiert werden muss.

3. Antizyklisches Value: Ich mag weiter die langweiligen Dividenden-Brummer. Aktien mit positivem Cashflow, politischer Robustheit und Bewertungs-Puffer. Nichts wo man täglich auf den Kurs gucken muss und auch nicht die Wirtschaftsnachrichten durchforsten muss nach Chancen/Risiken bei diesen Aktien.

Auch Aktien, die außerhalb eines normalen Schemas agieren und hier eher im Bereich PE unterwegs sind, werden zunehmend interessant.

Und, klar: Liquidität ist auch ein Investment. Wer 20 bis 30% in Cash hält, kann zuschlagen, wenn die Masse verkauft. Wir haben noch bisschen was in der Hinterhand für Tage, wie wir sie im April erlebt haben, wo wir zuschlagen könnten.
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