Warum die Ölpreise noch ruhiger als erwartet bleiben

Trotz Eskalation in Nahost

Die Ölpreise haben zwar infolge der neuerlichen Eskalation im Nahost-Konflikt kräftig zugelegt und entsprechende Aktien beflügelt, doch Anleger hatten womöglich mehr erwartet. Warum ist hier noch die Handbremse gezogen? Und wie geht es weiter?

stock.adobe.com/ ปฏิภาน ผดุงรัตน์

Ölpreise schießen hoch

Nachdem Israel in der vergangenen Woche den Iran angegriffen hat, konnte man im Ölmarkt fast vergessen, dass es auch handfeste fundamentale Gründe für eine stetige Erholung der Ölpreise gibt. Stattdessen schoss der Ölpreis am Freitag um über  % in die Höhe, um das Risiko eines längerfristigen Stopps der iranischen Ölexporte einzupreisen.

Der Ölpreis stieg am Montagmorgen zunächst weiter an, da sich die Angriffe zwischen Israel und dem Iran bereits auf den vierten Tag ausweiteten. Dann allerdings gaben die Preise zwischenzeitlich wieder nach – in der Hoffnung auf baldige Friedensgespräche, was nach der Warnung Trumps an die Bevölkerung Teherans, die Stadt zu verlassen, wieder hinfällig wurde.

Iranische Exporte nahezu zum Erliegen gekommen

Realistisch muss man festhalten, dass die iranischen Ölexporte in den letzten Tagen tatsächlich weitgehend zum Erliegen gekommen sind. Die gesamten iranischen Rohöl- und Kondensatexporte werden diese Woche laut dem Analyseunternehmen Kepler voraussichtlich nur noch 102.000 Barrel pro Tag erreichen, verglichen mit einem wöchentlichen Durchschnitt von 1,7 Millionen Barrel pro Tag in diesem Jahr.

Entscheidend dabei ist, dass die Exporte von der Insel Kharg, von der aus der Iran über 90 % seines Öls exportiert, seit Freitag offenbar vollständig zum Erliegen gekommen sind. Laut den Satelliten-Schiffsverfolgungsdaten von LSEG lagen am Montag keine Tanker vor der Insel Kharg vor Anker.

Allerdings verfügt der Iran laut Daten von Kepler über rund 27,5 Millionen Barrel, die in Tankern außerhalb des Golfs gelagert sind, sodass er noch einige Wochen lang Öl verkaufen könnte. Das ist momentan der Grund dafür, dass sich der Ölmarkt mit einer noch stärkeren Reaktion nach oben zurückhalten kann.

Am Samstag hatte Israel vorübergehend auch tatsächlich eine Erdgasaufbereitungsanlage im Zusammenhang mit dem South-Pars-Feld lahmgelegt und bei Angriffen auf Kraftstofftanks gezielt. Der Angriff löste laut der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Fars eine gewaltige Explosion und einen Brand in der Onshore-Gasaufbereitungs-anlage Phase 14 aus und zwang zur Stilllegung einer Förderplattform im South-Pars-Feld. Der Angriff konzentrierte sich auf das iranische Energiesystem und nicht auf Exporte in internationale Märkte. Dennoch gibt er Anlass zur Sorge um die Energiesicherheit und -versorgung.

Drittgrößer Ölproduzent

Der Iran, der drittgrößte OPEC-Produzent (trotz US-Sanktionen), fördert täglich rund 3,3 Millionen Barrel Rohöl und exportiert – wie gesagt – etwa 1,7 Millionen Barrel pro Tag. Der Verlust dieser Exportlieferungen würde den von der EIA und der IEA für das vierte Quartal dieses Jahres erwarteten Überschuss zunichtemachen.

Eine mögliche weitere Eskalation besteht in der Möglichkeit von Unterbrechungen der Schifffahrt durch die Straße von Hormus, was eigentlich die größte Befürchtung für den Ölmarkt sein müsste. Denn dies würde sich auf den gesamten Ölfluss aus dem Persischen Golf auswirken, wodurch die Preise weiter sprunghaft steigen würden. Fast ein Drittel des weltweiten Seetransports von Öl wird über die Straße von Hormus abgewickelt.

Für den Moment dürften die Risiken eingepreist sein, sofern sich die Situation nicht noch weiter verschlechtert. Kommt es aber zu einer überraschenden Entspannung, dürften die Ölpreise temporär nachgeben, um das spekulative Kapital abzulassen.

Fundamentale Faktoren rücken in den Hintergrund

Neben diesem geopolitischen Aspekt gehen aber leider die weiteren fundamentalen Gründe für steigende Ölpreise derzeit fast völlig unter.

So hat beispielsweise letzte Woche die Energy Information Administration (EIA) (Teil des US-Energieministeriums) ihre Schätzungen zur US-Rohölproduktion für 2026 für viele überraschend nach unten korrigiert. In ihrem letzte Woche veröffentlichten aktuellen Short-Term Energy Outlook geht die EIA davon aus, dass die Produktion im Jahr 2026 gegenüber dem Vorjahr um 50.000 Barrel pro Tag auf 13,37 Millionen Barrel pro Tag zurückgehen wird. Dies wäre der erste jährliche Rückgang der US-Produktion seit 2021, als die Corona-Pandemie die Produktion beeinträchtigte.

Das Produktionswachstum für 2025 ließ die EIA hingegen optimistisch unverändert bei 210.000 Barrel pro Tag im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts der jüngsten Verlangsamung der Bohrtätigkeit bleibt fraglich, ob die EIA diese Schätzung nicht auch wird revidieren müssen. Die EIA meldete nämlich bereits Anfang Mai einen Rückgang der US-Rohölproduktion auf 13,37 Millionen Barrel pro Tag (mb/d), den niedrigsten Stand seit Januar, was laut Baker Hughes mit einem Rückgang der Anzahl der Bohranlagen um 9 % gegenüber dem Vorjahr zusammenfiel und die Reaktion der Angebotsseite auf die sinkenden Preisprognosen signalisierte. Aufgrund des niedrigen Ölpreisniveaus ist die Zahl der Bohranlagen in den letzten sechs Wochen um 33 auf 442 gesunken, den niedrigsten Stand seit Oktober 2021.

Zusätzliche Preisfaktoren und Ausblick

Zwar greift die OPEC+ weiterhin Marktanteile der US-Produzenten ab und kündigte an, die Produktion ab Juli um 411.000 b/d zu erhöhen, doch trotzdem haben sich die Ölpreise nach den Schwankungen im April erholt.

Dazu trugen neben den geopolitischen Risiken auch die knappen Lagerbestände bei. Die erhöhten geopolitischen Risiken in Russland, die sich Ende Mai nach der überraschenden Offensive der Ukraine gegen russische Militäranlagen und den Waldbränden in Alberta, die fast 7 % der nationalen Produktionskapazität Kanadas lahmlegten, zeigten, stützten die globalen Rohölpreise zusätzlich.

Zudem liegen die globalen Rohölvorräte weiterhin nahe dem Tiefststand ihres Fünfjahresdurchschnitts.

Im Rohstoff Anleger Club (RAC) haben wir vorgesorgt, eingedenk der Tatsache, dass der Ölmarkt über weite Strecken dieses Jahres weder willens war, die wachsenden geopolitischen Risiken, die globalen Lagerbestände noch die US-Produktionsentwicklung einzupreisen. Man soll halt nicht immer nur auf den hören, der am lautesten schreit. Auch ein Trump muss sich am Ende der Realität beugen.

An dieser Stelle sei erwähnt: Wie man grundsätzlich gewinnbringend in Rohstoff-Aktien investiert und etwa mit sorgfältig selektierten Aktien bei der aktuellen Gold- und Kupfer-Rallye profitiert, zeigt unser neuer Report auf.

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