Oracle: War das jetzt der Boden?

Zwischen Schuldenkrise und KI-Mission
Redaktion

Der Konflikt zwischen wachsender Verschuldung und strategischer Bedeutung im KI-Wettlauf rückt die Oracle-Aktie in den Fokus. Während die Finanzmärkte zunehmend nervös reagieren, bleibt das Unternehmen für den Ausbau der US-amerikanischen KI-Infrastruktur zentral – und damit für eine Branche, die sich rasant entwickelt.

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Steigender Schuldendruck und nervöse Märkte

In den vergangenen Wochen sorgte Oracle vor allem durch seine rapide steigende Schuldenlast für Schlagzeilen. Die Belastung, die zur Finanzierung weitreichender Rechenzentrumsprojekte dienen soll, hat Investoren verunsichert und die Preise für Kreditausfallversicherungen auf Oracles Anleihen nach oben getrieben. Trotz dieser Skepsis, die sich in einer Nettoverschuldung von 2,58-fach des aEBITDA im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2026 niederschlug, gilt die Rolle des Konzerns im Aufbau der nationalen KI-Infrastruktur weiterhin als entscheidend. Vor diesem Hintergrund bleibt die langfristige Einschätzung optimistisch mit einer Kurszielmarke von 463 US-Dollar je Aktie.

Blick auf die anstehenden Quartalszahlen

Oracle wird seine Ergebnisse für das zweite Quartal des Geschäftsjahres 2026 am 10. Dezember nach Börsenschluss veröffentlichen. Analysten haben ihre Gewinnschätzungen in den vergangenen drei Monaten häufiger angehoben als gesenkt, was trotz der Unsicherheiten auf eine moderat positive Branchensicht hindeutet. Aktuell wird mit einem Umsatz von 16,356 Mrd. US-Dollar und einem bereinigten Ergebnis von 1,61 US-Dollar pro Aktie gerechnet.

Zentraler Akteur im US-amerikanischen KI-Ausbau

Im Wettbewerb um Rechenkapazitäten hat sich Oracle zu einem der wichtigsten Gesprächspunkte entwickelt. Das Unternehmen kann modulare Rechenzentren errichten, die auf Kapazitäten von mehr als einem Gigawatt skalieren. Der markanteste Wert aus dem ersten Quartal war der sprunghafte Anstieg der ausstehenden Leistungs­verpflichtungen, die sich binnen drei Monaten mehr als verdreifachten und 455 Mrd. US-Dollar erreichten. Später wurde publik, dass 300 Mrd. US-Dollar davon für KI-Infrastruktur von OpenAI vorgesehen sind – ein Umstand, der angesichts der hohen Abhängigkeit von einem einzelnen Kunden für Unruhe sorgte. Der Aktienkurs notiert seither deutlich unter dem Niveau vor den Quartalszahlen im September 2025.

OpenAI als Unsicherheitsfaktor

Die Märkte beschäftigt vor allem die Frage, ob OpenAI nach den Ereignissen vom November 2025 finanziell stabil bleibt. Zwar signalisierte die OpenAI-Finanzchefin öffentlich den Wunsch nach staatlichen Kreditgarantien, während CEO Sam Altman diesen Eindruck später zurückwies. Doch inzwischen wurde bekannt, dass das Unternehmen eine Ausweitung der CHIPS-Act-Förderung auf die KI-Branche vorgeschlagen hat. Die dadurch entstandene Unsicherheit fällt schwer ins Gewicht: OpenAI plant den Ausbau seiner Rechenzentrumsstrukturen auf mehrere Gigawatt und hält Verpflichtungen von rund 1,4 Bio. US-Dollar gegenüber Anbietern wie Microsoft, Amazon AWS und CoreWeave.

Schwindende Profitabilitätserwartungen bei OpenAI

Der KI-Entwickler rechnet für 2025 mit lediglich 13 Mrd. US-Dollar Umsatz und einem Nettoverlust von 9 Mrd. US-Dollar. Die Prognosen gehen sogar von einem operativen Verlust von 74 Mrd. US-Dollar im Jahr 2028 aus. Diese Zahlen verstärken Befürchtungen um die Solvenz, was wiederum alle Cloud-Anbieter betrifft, die erhebliche Mittel für die gemeinsame Infrastruktur zugesagt haben.

Investoren sehen erhöhtes Kreditausfallrisiko

Die wachsenden Zweifel an OpenAI beeinflussen die Risikoeinschätzung gegenüber Oracle. Das Unternehmen führt Gespräche über eine mögliche Fremdfinanzierung von 38 Mrd. US-Dollar für Rechenzentrumsbauten im Auftrag von OpenAI. Eine tatsächliche Ausfallgefahr gilt als gering, doch die Ausweitung der CDS-Spreads zeigt, dass Investoren das Risiko aktiver handeln. Solche Papiere dienen häufig als Instrument für Wetten auf steigende Ausfallwahrscheinlichkeiten – unabhängig vom tatsächlichen Eintreten eines Zahlungsausfalls.

Auswirkungen auf Verschuldung und Zinslast

Eine zusätzliche Schuldenaufnahme in dieser Größenordnung würde Oracles Gesamtverbindlichkeiten um rund 42 Prozent auf 129 Mrd. US-Dollar erhöhen. Die Brutto­verschuldung läge damit beim 4,16-Fachen des aEBITDA. Die jährliche Zinslast könnte um nahezu die Hälfte steigen und sich voraussichtlich ab dem dritten oder vierten Quartal des Geschäftsjahres 2026 bemerkbar machen.

Bewertung und Ausblick für Anleger

Trotz der neuen Belastungen bleibt die fundamentale Einschätzung positiv. Die Rolle Oracles in der nationalen KI-Architektur, der erwartete Umsatzschub durch den weiteren Ausbau der Rechenkapazitäten und die langfristige Wachstumsperspektive stützen die Bewertung.

Auf Basis aktualisierter Prognosen ergibt sich ein fairer Wert von 463 US-Dollar je Aktie auf Grundlage eines erwarteten EV/aEBITDA-Multiplikators von 19,86 im Geschäftsjahr 2028. Damit erscheint die aktuell kaum über 200 US-Dollar teure Aktie wieder sehr kaufenswert.

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